Cold Fury: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
unwillkürlich dahinter.
Ich spürte die kalte Energie im Zorn meines Vaters, der nur noch eine Armeslänge von mir entfernt stand.
Er überlegte, ob er sich wieder umdrehen und Onkel Buddy erledigen sollte, während ich ihn stumm anflehte, die Backstube zu verlassen.
Einen Augenblick später marschierte er durch die Bäckerei und riss die Vordertür auf, deren Glocke hell anschlug. Ich rannte hinter ihm her, ohne mich noch einmal umzudrehen, und holte ihn auf der Straße ein, wo er den Lincoln geparkt hatte. Er hatte meine Schritte offenbar gehört und fuhr herum, den Autoschlüssel so in der geballten Faust, dass der Schlüsselbart zwischen den Knöcheln von Zeige- und Mittelfinger herausragte. Ich bremste ruckartig meinen Lauf und hob aus Reflex die Hände, als wollte ich einen Schlag abwehren, und dann standen wir uns gegenüber, jeder in seiner Haltung erstarrt. In seinen Augen konnte ich jetzt erkennen, dass der Böse Dad sich dorthin zurückgezogen hatte, woher er gekommen war. Jetzt sah er mich lediglich alarmiert an. »Du warst in der Bäckerei?«
Ich nickte und senkte langsam die Fäuste.
»Wie viel hast du gehört?«, fragte er. »Sag die Wahrheit.«
»Ich habe gehört, dass Onkel Buddy uns bedroht hat. Und dass du ihm gesagt hast, du würdest ihn umbringen.«
»Oh Gott«, sagte er und fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. »Vergiss es, Sara Jane. Vergiss, was du gehört und gesehen hast.« Er legte mir die Hände auf die Schultern und versuchte es mit einem schwachen Lächeln. »Nichts davon spielt jetzt noch eine Rolle, Kleines.«
»Natürlich spielt es eine Rolle!«, rief ich und schob seine Hände weg. Es war dieses Wort, Kleines , das mich so aufbrachte. Als ob ich ein dummes kleines Mädchen war. Nach seiner erschütternden Verwandlung von Dad in den Bösen Dad und der schrecklichen Szene mit Onkel Buddy tat er jetzt so, als ob ich nichts weiter bräuchte als ein paar tröstliche Worte, damit ich komplett vergaß, was gerade passiert war. Ich fühlte eine kleine blaue Flamme des Zorns in mir, als ich fortfuhr: »Du wolltest mir etwas Wichtiges über unsere Familie sagen. Du kannst doch nicht so eine Ankündigung machen und mich dann bitten, das alles zu vergessen, schon gar nicht nach all dem, was da eben noch geschehen ist.«
»Ich bitte dich nicht«, sagte er und sein Lächeln erlosch. »Ich befehle es dir.«
»Du befiehlst mir was? Meine Erinnerung zu löschen? Ich habe gesehen, was ich gesehen habe, und gehört, was ich gehört habe«, gab ich zurück. »Dad, erzähl mir zumindest von dem Notizbuch. Erzähl es mir jetzt.«
»So redest du nicht mit mir«, sagte er und schloss den alten Wagen auf.
»Du hast gesagt, ich würde damit fertig.«
»Ich weiß, dass du es könntest«, erwiderte er. »Aber ich möchte einfach nicht, dass du es musst.« Er sah zur Bäckerei hinüber und schob das Kinn vor. »Wie ich schon gesagt habe, das spielt alles keine Rolle mehr. Wir fahren morgen.«
»Wohin denn?«
Er öffnete die Autotür. »Wir verlassen Chicago. Du, Lou, Mom und ich.«
»Aber … seit wann das denn?«
»Seit jetzt, Sara Jane. Die Lage hat sich geändert.«
Es war alles zu viel, zu schnell, und ich stammelte: »Aber ich habe doch hier meine Schule und meine Freunde … das ist doch verrückt, Dad. Das macht doch alles keinen Sinn. Wir können morgen nicht von hier weg …«
»Steig ein«, sagte er und ließ den Motor an.
Ich schüttelte den Kopf. »Nicht, ehe du mir die Wahrheit erzählst. Über alles.«
Sein Mund war ein dünner Strich, und er schüttelte den Kopf. »Es ist alles gesagt.«
Ohne ein Wort drehte ich mich um und ging den Bürgersteig hinunter.
Er ließ das Auto anrollen und fuhr langsam neben mir her. »Sara Jane, bitte.«
Schweigen. Ich lief weiter, die Augen stur geradeaus.
»Kleines, es tut mir leid. Ich bin einfach nur … Bitte steig ein.«
Ich ließ keine Regung erkennen und ging weiter.
»Okay, in Ordnung. Geh zu Fuß, wenn du dich dann besser fühlst. Aber komm direkt nach Hause.«
Und dann sah ich, wie er davonfuhr und mir noch traurig zuwinkte.
Er war davon ausgegangen, dass ich zu Fuß bis zu unserem Haus nur zwanzig Minuten länger unterwegs sein würde als er mit dem Auto. Diese Überlegung machte mich eher traurig als zornig, denn das bedeutete ganz offensichtlich, dass er vergessen hatte, dass heute Freitagabend war, der Abend des Frühlingsballs an der Fep Prep, und dass er mich eigentlich bei Gina hätte absetzen sollen. Und dass mein
Weitere Kostenlose Bücher