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Cold Fury: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Cold Fury: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Cold Fury: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. M. Goeglein
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scharf.
    Das Band war hängengeblieben und lief nun mit lautem Kreischen vor und zurück.
    Ich holte die Kamera heraus, drückte auf die Stopptaste, und das kreischende Gelächter verstummte.
    Plötzlich verstand ich, weshalb meine Eltern dieses kitschige Geschenk von der längst verstorbenen Nanny behalten hatten. Es war Elzys Abschiedspräsent mit eingebautem Sicherheitsfaktor, eine Überwachungskamera, die im Kopf des einzigen Mannes steckte, den sie je geliebt hatte. Die Mini-Kamera war aufgeladen und es steckte ein Band darin, von daher hatten meine Eltern sie offensichtlich benutzt. Meine Hände zitterten so vor Angst, dass ich die Kamera beinahe fallen ließ, als ich sie zurück in die Kopfhöhlung schob und Frank wieder verschraubte. Und so stand ich da, in meinem geliehenen Disco-Queen-Kleid, hielt Frank Sinatras Kopf in der Hand und schwitzte und zitterte bei dem Gedanken daran, was ich jenseits des Wohnzimmers vorfinden mochte. Wenn meine Eltern und Lou noch im Haus gewesen wären, hätten sie längst auftauchen müssen. Sie hätten doch gehört, wie ich nach ihnen rief, hätten das kreischende Lachen von dem Band wahrgenommen, wären ins Zimmer gelaufen, hätten das Licht angeschaltet und mir erklärt, dass hier eine komische Sache passiert war, ein verrückter Einbruch oder dergleichen. Oder sie hätten das getan, was in dieser Situation das Schlaueste gewesen wäre, im Gegensatz zu mir – sie hätten das Durcheinander gesehen und wären ihren Urinstinkten folgend geflohen.
    Oder aber, sie waren noch im Haus.
    Sie waren irgendwo hier, konnten aber nicht zu mir kommen.
    Alle Möglichkeiten, die mit diesem »konnten nicht kommen« verbunden waren, rauschten wie eine Welle durch mein Gehirn und meinen Körper, und meine Füße bewegten sich wie von selbst.
    Ich dachte an den Grundriss unseres Hauses – Eingangstür und Flur, rechts das Wohnzimmer, links eine Wendeltreppe, die in die beiden oberen Stockwerke führt. Das eichenvertäfelte Esszimmer liegt direkt gegenüber, dahinter die weiß geflieste Küche und darunter ein hundert Jahre alter Keller. Ich würde jeden Raum durchsuchen, wenn es sein musste, egal, wer oder was hinter einer Tür auf mich lauern mochte, und ich erinnerte mich an Lous Baseballschläger, der sich im Wandschrank befand. Die Vorstellung, eine Waffe zu haben, war beruhigend, aber es bedeutete auch, dass ich Frank Sinatra würde aus der Hand legen müssen. Aus irgendeinem Grund verlieh er mir mehr Sicherheit als jede Keule.
    Ich trat in den dunklen Flur und drückte auf einen Lichtschalter, aber es schaltete sich keine Lampe an. Unser Haus wurde 1911 gebaut und liegt in einer Straße, deren Häuser fast alle aus dieser Zeit stammen oder noch älter sind, und ringsum stehen alte Eichbäume und riesige Ulmen. Es ist eine Gegend mit Buntglasfenstern und Ziertürmchen, lauter hübschen Häusern aus Ziegeln, Kupfer und Schiefer, aber sie kann auch recht unheimlich wirken. Tagsüber, wenn die Sonne durch das dichte, grüne Blätterdach scheint und die Rasenmäher zufrieden summen, ist es so idyllisch wie eine Filmkulisse. Aber nachts, wenn die Züge nicht mehr so oft über die Gleise rumpeln und die übergroßen Bäume seltsame Schatten werfen, wird man sich der Tatsache nur allzu deutlich bewusst, dass diese alten Häuser schon sehr viel Geschichte erlebt haben. Wie ich so im Flur stand, erinnerte ich mich an Zeiten, da ich in diesem Haus allein gewesen war und mich das Gefühl überwältigt hatte, dass mich jemand beobachtete oder ganz nahe an mir vorübergegangen war. Wie gern hätte ich jetzt so etwas gespürt, dachte ich, und ich hoffte, meine Familie würde vor mir stehen, wenn ich mich umdrehte.
    Als ich das tat, sah ich Blut.
    Es war an der Wand verschmiert.
    Auf dem Boden waren große, dicke Tropfen, groß wie ein Geldstück.
    Ich folgte ihnen durch die Schwingtür in die Küche, wo ebenfalls alle Schubladen ausgekippt, die Schränke ausgeräumt, das Besteck verstreut und Geschirr und Gläser zerschlagen worden waren. Der Kühlschrank war umgestürzt, lag halb offen da und leckte, die Ofentür klaffte weit auf, und die Tür zur Speisekammer war aus den Angeln gerissen worden. Inmitten all dessen war der weiße Fliesenboden von einer langen, roten Linie besudelt, als ob jemand dort entlanggeschleift worden war oder sich selbst dorthin geschleppt hatte.
    An der Kellertür hörte die Blutspur abrupt auf.
    Irgendwo tief unter den Dielenbrettern war ein Stöhnen zu hören, und etwas

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