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Cold Fury: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Cold Fury: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Cold Fury: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. M. Goeglein
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hielt. Ich stand auf und ging zur Tür, dann drehte ich mich noch einmal um. »Bis dann!«
    »Bereite dich mal auf ein actionreiches Geburtstagswochenende vor«, rief Max und zwinkerte mir zu.
    Ich trat auf den Bahnsteig in die milde Nachtluft, wie sie so typisch für den Frühling in Chicago ist.
    Die Türen schlossen sich, Max setzte sich wieder auf seinen Platz und winkte mir zu, als der Zug davonfuhr.
    Ich sah ihm nach und hatte glücklicherweise noch keine Ahnung, als wie prophetisch sich seine Worte noch erweisen sollten.

10
    Erst später, wenn alles vorbei ist, erinnert man sich an die geistigen und körperlichen Warnsignale, die darauf aufmerksam machen wollten, dass etwas nicht stimmt. So, als wenn man Grippe bekommt und sich plötzlich an den kleinen, fiesen Kopfschmerz erinnert, den man vorher ignoriert hat, oder an das Frösteln, von dem man glaubte, es läge an der kühlen Brise, obwohl draußen dreißig Grad im Schatten waren.
    Als ich die Balmoral Avenue entlangging und entdeckte, dass in unserem Haus kein Fenster erleuchtet war, lief mir ein verräterischer Schauer über den Rücken. Aber ich dachte an Max und schenkte diesem Umstand nicht die Aufmerksamkeit, die er verdient gehabt hätte.
    Doch als ich die Eingangstreppe hinaufging, entdeckte ich, dass die Fliegengittertür schief an nur noch einer Angel hing. Die Haustür dahinter stand sperrangelweit offen.
    Das Innere des Hauses lag in dunklen, braunen Schatten.
    Beim nächsten Schritt trat ich in Glasscherben, und das knirschende Geräusch ließ mich zusammenzucken. Vorsichtig betrat ich das Haus und rief zuerst nach meiner Mom, dann nach meinem Dad.
    Die Antwort kam sofort.
    Ein schnatterndes, hohes Lachen, das sich immerzu wiederholte.
    Es kreischte, hielt inne, dann kreischte es von Neuem und durchdrang das stille Haus.
    Im Selbstverteidigungsunterricht hatte man uns beigebracht, dass man in Situationen, die gefährlich oder bedrohlich wirken, am besten sofort zu denken aufhört und flieht. Aber das hier war unser Haus. Meine Überzeugung, dass es sich dabei um einen sicheren Ort handelte, war noch nicht erschüttert worden. Jedes Mal, wenn ich einen Schritt nach vorn machte, fing das Gelächter wieder an, und ich blieb wie erstarrt stehen und krallte mich in die Leere um mich herum.
    Schrieee-hi-hiiii! Schrieee-hi-hiiii!
    Es klang nicht nach einem Menschen, aber irgendwie nahm ich doch menschliche Laute darin wahr, wenn auch bis zur Unkenntlichkeit beschleunigt.
    Schrieee-hi-hiiii! Schrieee-hi-hiiii!
    Es hätte mich abstoßen sollen, aber stattdessen zog es mich nur weiter an wie ein Magnet.
    Schrieee-hi-hiiii! Schrieee-hi-hiiii!
    Als ich ins Wohnzimmer trat, sah ich als Erstes Berge von Federn, die aus dem Inneren unseres Ledersofas gerissen worden waren. Einige Bücherregale waren umgestürzt worden, die Rücken der Bücher flach getreten und die Stühle zertrümmert, so dass sie nun mit abgebrochenen oder schiefen Beinen am Boden lagen. Unser Familienporträt hing schief, von der Horizontalen in die Vertikale gekippt über dem Kaminsims, und ein dicker Riss lief quer hindurch, auf der einen Seite mein Vater und Lou, der auf seinem Schoß saß, auf der anderen Seite ich, stehend hinter meiner Mom, der ich eine Hand auf die Schulter legte. Jede Schublade war aufgezogen und ausgekippt worden, und den großen Perserteppich hatte man zurückgeschlagen, so dass er wie ein überdimensionales, nicht aufgegessenes Crêpe aussah. Alles, das ein Innenleben hatte oder etwas anderes bedeckte – Kissen, Bilder, kleine Schränkchen –, war umgestürzt, eingetreten oder zerrissen worden. Das Zimmer bot einen so unwirklichen Eindruck, dass ich einen Augenblick einfach nur dastand und guckte.
    Schrieee-hi-hiiii! Schrieee-hi-hiiii!
    Es ertönte direkt neben mir, und ich stocherte mit dem Fuß in dem ganzen Durcheinander auf dem Boden, bis ein paar durchdringende blaue Augen aus einem kalten, kalkweißen Gesicht zu mir aufsahen.
    Schrieee-hi-hiiii! Schrieee-hi-hiiii!
    Die Büste war noch heil. Ich hob sie auf und sah ihr ins Gesicht, und dabei entdeckte ich, dass sich die Pupille des linken Auges weitete, wieder verengte und erneut weitete.
    Schrieee-hi-hiiii! Schrieee-hi-hiiii!
    Zum ersten Mal bemerkte ich, dass ein haarfeiner Riss rund um den Haaransatz verlief, und ich hielt die Büste fest und schraubte Frank Sinatras Kopf auf.
    In seinem Inneren fokussierte eine Mini-Videokamera die Linse hinter dem linken Auge und stellte sie immer wieder neu

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