Colin-Saga 01 - Der Mond der Meuterer
ganz nett. Nichts, womit du Verdacht auf dich lenken kannst – gerade genug, dass sie in die Krankenstation muss.« Die Art und Weise, wie sie beim Lächeln ihre herrlichen Zähne entblößte, ließ Ganhar an einen terranischen Piranha denken.
»Ich … verstehe«, sagte er.
»Gut«, erwiderte sie und schlenderte gemächlich aus seiner Kabine. Hinter ihr schloss sich die Luke, und Ganhar schaute blicklos zur Karte hinüber. Es war erstaunlich. Er hatte gerade einen einflussreichen Verbündeten gewonnen … warum fühlte er sich so viel schlechter als vorher?
Abu al-Nasir, der es sich selbst in den letzten beiden Jahren verboten hatte, von sich als ›Andrew Asnani‹ zu denken, saß im hinteren Teil des Kutters und gähnte. In den vergangenen sechs Monaten hatte er genug imperiale Technik gesehen, dass ihm nicht mehr alles wie ein Wunderwerk vorkam, und es erschien ihm angemessen, genau das die Imperialen, die in seiner Nähe saßen, auch deutlich spüren zu lassen.
In Wirklichkeit war seine Neugier unersättlich, denn im Gegensatz zu den meisten der Terrageborenen der Nordstaatler hatte er die Nergal nie zu Gesicht bekommen, und er war auch nie wissentlich einem ihrer Imperialen begegnet. Dies, und dazu noch seine semitische Abstammung, waren genau das, was ihn für diese Rolle so ideal gemacht hatte. Er war einer von ihnen, und doch gehörte er nicht ganz dazu, war nicht blutsverwandt, besaß keinerlei Familienbande, die ihn in irgendeiner Weise mit ihnen in Verbindung hätten bringen können, wie genau die Südstaatler auch nachforschen mochten.
Zugleich bedeutete es auch, dass Abu al-Nasir nicht mit der Wahrheit aufgewachsen war, und der Schock, sie schließlich zu erfahren, war das zweittraumatischste Ereignis seines ganzes Lebens gewesen. Doch es hatte ihm zugleich die Möglichkeit der Rache geboten und eine Chance, aus den Trümmern seines Lebens etwas Positives zu schaffen, und das war mehr, als er selbst für viel zu lange Zeit zu hoffen gewagt hatte.
Wieder gähnte er und erinnerte sich an den Abend, an dem sich sein ganzes Universum verändert hatte. Er hatte gewusst, dass irgendetwas Besonderes passieren würde; doch noch seine wildesten Spekulationen waren unendlich weit hinter der Realität zurückgeblieben. In der ehrwürdigen Eighty-Second Airborne war es nicht üblich, dass Colonels des USFC kleine Junior Sergeants aufforderten, sich mitten in der Nacht in einem Wald von North Carolina mit ihnen zu treffen. Selbst dann nicht, wenn besagter Sergeant die Versetzung zu den Terrorismusbekämpfungseinheiten des USFC beantragt hatte. Es sei denn, seinem Antrag wäre stattgegeben worden und etwas sehr, sehr Merkwürdiges stünde unmittelbar bevor.
Doch seinem Antrag war nicht stattgegeben worden, denn das USFC hatte diesen niemals offiziell erhalten. Colonel MacMahan hatte sie aus allen Computern abgefangen und sie verschwinden lassen, weil er Sergeant Asnani ein Angebot unterbreiten wollte. Ein ganz besonderes Angebot, und Voraussetzung dafür war, dass besagter Sergeant Asnani starb.
Der Colonel, dies musste al-Nasir wirklich zugeben, verfügte über beeindruckende Menschenkenntnis. Als Asnani noch ein Kind war, da waren seine Mutter, sein Vater und seine kleine Schwester gerade in dem Moment eine Straße in New Jersey hinuntergegangen, als eine Bombe der Fraktion ›Schwarzes Mekka‹ detonierte, und als er hörte, was der Colonel ihm vorzuschlagen hatte, war er mehr als nur bereit, dieses Angebot anzunehmen.
Der vorbereitete ›tödliche‹ Unfall bei einem Übungssprung war perfekt über die Bühne gegangen, und so war Asnani aus allen aktiven Datenbanken getilgt worden. Dann hatte sein eigentliches Training begonnen. Das USFC hatte damit nicht das Geringste zu tun, auch wenn es einige Zeit dauerte, bis Asnani das begriffen hatte. Und er hatte auch nicht vermutet, dass dieses strapaziöse Ausbildungsprogramm selbst nur einen letzten Test darstellte, eine Prüfung seiner Fähigkeiten ebenso wie seines Charakters, bis ihm schließlich die Personen, die ihn wirklich angeheuert hatten, die Wahrheit sagten.
Hätte es ihm jemand anders als Hector MacMahan erklärt, dann hätte er es vielleicht nicht geglaubt – trotz all der technologischen Wunderwerke, die der Colonel ihm vorführte. Doch als Asnani schließlich begriff, wer ihn da wirklich rekrutiert hatte und auch warum und dass seine Familie nur drei von ungezählten Millionen waren, die im Laufe der Jahrhunderte in so achtloser Weise
Weitere Kostenlose Bücher