Colin-Saga 01 - Der Mond der Meuterer
können.
Tatsächlich war Letzteres das, was sie am schwersten fand. Das Entsetzen darüber, was Anu und Inanna denen, die ihnen in die Meuterern angetan hatten, und auch den armen, hilflosen Urvölkern auf diesem Planeten, hatte sich in kalten, harten Zorn verwandelt, und sie verabscheute es einfach, dieses Gefühl jetzt um jeden Preis im Zaum halten zu müssen. Als sie erfahren hatte, dass Horus und die restliche Mannschaft der Nergal sich von Anu losgesagt und sich dafür entschieden hatten, gegen ihn zu kämpfen, war ihr erster Gedanke gewesen, überzulaufen, sich ihnen anzuschließen; doch die Besatzung der Nergal hatte sie davon überzeugt, dass sie für den Widerstand von größerer Wichtigkeit sein konnte, wenn sie weiterhin der Organisation um Anu und seinen Leuten angehörte. Ohne Zweifel hatte auch Vorsicht zu dieser Entscheidung beigetragen – man vertraute ihr nicht vollends und wollte nicht das Risiko eingehen, dass die eigenen Reihen infiltriert werden könnten. Doch das ließ sich nicht ändern, und Ninhursags einzige andere Möglichkeit hätte darin bestanden, auf eigene Faust zu fliehen und dann unterzutauchen – und anschließend überhaupt nichts mehr zu unternehmen, um von keiner der beiden Fraktionen jemals wieder aufgespürt zu werden.
Doch ›überhaupt nichts‹ zu unternehmen war schlichtweg undenkbar, und so war Ninhursag zu einer Spionin im Dienste der Nergal geworden – einer Spionin, der man nicht vollends vertraute. Und die ganze Zeit über war ihr nur zu deutlich bewusst, welches Risiko sie einging. ›Angst‹ war für sie schon seit viel zu langer Zeit eine allgegenwärtige Begleiterin, doch diese Angst war nicht ihre Herrin. Diese Aufgabe hatte Ninhursag einer anderen Emotion überlassen: dem Hass.
Das plötzliche Aufflammen von Gewalt hatte sie ebenso sehr überrascht wie jeden der Anu loyal geblieben war. Doch wenn man dann noch die sonderbaren Instruktionen berücksichtigte, die Jiltanith ihr hatte zukommen lassen, dann ergab das alles durchaus Sinn – es konnte einen erschrecken, aber gleichermaßen auch beleben. Denn es gab nur einen einzigen Grund, warum Anus Feinde die Zugangs-Codes würden haben wollen.
Sie versuchte, gar nicht darüber nachzudenken, wie ›der Feind‹ beabsichtigen mochte, sie aus der Enklave hinauszuschaffen. Was sie nämlich weder wusste noch vermutete, das konnte man auch nicht aus ihr herauspressen. Ninhursag jedoch war schon immer mit einem wachen Verstand geschlagen gewesen, und die wesentlichen Grundzüge des Planes waren nur allzu offensichtlich. Diese offene Verwegenheit erschreckte Ninhursag zutiefst; doch sie wusste, was die anderen planten, und auch wenn es vielleicht hoffnungslos sein mochte, es zeugte auf jeden Fall von enormer Tatkraft.
Der Kutter senkte den Bug, und Ninhursag spürte, wie ihre Implantate kitzelten, während sie darauf wartete, für ›den Feind‹ den Schlüssel zu Anus Festung zu stehlen.
Kapitel Siebzehn
Dunkelheit und Stille herrschten im Inneren des gewaltigen Sternenschiffs. Nur die Hydrokultur-Sektionen, die Parks und die Atrien waren beleuchtet, und doch pulsierte in der ganzen, riesenhaften Struktur das elektronische Bewusstsein einer Wesenheit namens Dahak.
Es ist gut, dachte der Computer, dass ich kein Mensch bin, denn ein Mensch wäre an meiner Stelle bereits verrückt geworden, noch bevor die Menschheit ein zweites Mal die Kunst der Metallverarbeitung entdeckt hätte. Andererseits hätte ein Mensch aber vielleicht auch eine Möglichkeit gefunden, selbst zu handeln, ohne auf einen Colin MacIntyre warten zu müssen.
Aber er, Dahak, der Computer, war kein Mensch. Es gab menschliche Eigenschaften und Fähigkeiten, die er nicht besaß, denn man hatte ihn nicht damit ausgestattet. Seine Kernprogrammierung war heuristisch, sonst hätte er niemals das Konzept des ›Selbst-Bewusstseins‹ entwickeln können, das ihn von dem ›alten‹ Zentralen Kommandocomputer deutlich unterschied. Aber er hatte noch nicht diesen letzten Übergang zur Menschlichkeit vollzogen. Trotzdem: Er war dem näher gekommen als jedes andere Schiff seiner Art, und vielleicht würde er diesen Schritt ja eines Tages noch ganz vollziehen können. In gewisser Weise freute er sich regelrecht auf diese Möglichkeit, und er fragte sich, ob seine Fähigkeit, diese Möglichkeit zu erhoffen, nicht vielleicht schon das erste Anzeichen einer sich entwickelnden ›Fantasie‹ war.
Das war eine interessante Frage, auf die er vielleicht
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