Collection Baccara Band 0250
Feuer gelegt.“
Claudias Schultern zuckten. „Wie konnte ich es nur so weit kommen lassen?“, flüsterte sie. „Warum habe ich das nicht kommen sehen?“
Ethan versuchte, sie zu trösten. „Niemand konnte das voraussehen, Schatz.“
„Aber ich hätte es wissen müssen!“ Claudia rang die Hände. „Ich habe mich die ganze Zeit nur um die Probleme von fremden Menschen gekümmert! Und meinem Bruder ging es so schlecht! Meinem eigenen Bruder! Und ich hatte keine Ahnung!“ Tränen liefen ihr übers Gesicht. Ärgerlich wischte sie sie weg.
„Es ist doch nicht deine Schuld!“, protestierte Emily.
„Nicht? Die ganze Zeit denke ich darüber nach, wie ich so jämmerlich versagen konnte. Ich versuche, mich zu erinnern, was ich alles falsch gemacht habe.“
„Jetzt reicht’s aber!“, fuhr Ethan sie an.
Claudia starrte ihn an. Emily und Shane auch.
Er ging auf Claudia zu. „Du bist nicht für deinen Bruder verantwortlich! Du hast nichts damit zu tun, welche Entscheidungen er getroffen hat!“
„Aber ich hätte es erkennen müssen! Wenn ich nur aufmerksamer gewesen wäre, hätte ich erkannt, dass irgendetwas mit ihm nicht stimmt! Ich hätte ihm helfen können, ich hätte …“
Ethan legte ihr die Hände auf die Schultern. „Wenn es deine Schuld ist, dann ist es wohl umso mehr Emilys Schuld, oder? Sie hat doch jeden Tag für ihn gearbeitet. Warum hat sie nicht bemerkt, dass er Hilfe brauchte? Oder eure Eltern? Die haben doch viel mehr Schuld! Was haben sie denn falsch gemacht, dass ihr Sohn so geworden ist?“
„Das ist scheußlich , so etwas zu sagen!“
„Ja, da hast du wohl recht.“ Jetzt war seine Stimme sanft. „Warum sagst du es dann zu dir?“ Ethan wollte sie so gern in die Arme nehmen, aber sie war starr unter seinen Händen. Er hatte nur seine Stimme, mit der er sie streicheln konnte. „Es gibt Dinge, die jeder Mensch selbst tun muss. Du kannst Derrick nicht zurechtbiegen. Das muss er selbst tun.“
Es war still. Claudia weinte.
In ihrer Handtasche klingelte ihr Handy.
„Verdammt“, schluchzte sie. „Mein blödes Handy! Wieso habe ich es eigentlich mitgenommen?“
Ethan ging zu Claudias Handtasche. Das Handy steckte in einer Halterung an der Außenseite. Er nahm es heraus und wollte es ausschalten. Dann sah er, welchen Anrufer das Display meldete. Er brachte Claudia das Gerät. „Deine Familie.“
„Meine Familie ruft mich nie auf meinem Handy an. Ich lasse es immer zu Hause liegen oder vergesse, es aufzuladen …“ Sie schluckte. „Ich gehe besser ran.“
„Ja, Emily ist hier“, sagte Claudia zu ihrem Gesprächspartner. „Warum?“ Dann wich alle Farbe aus ihrem Gesicht. „Wir kommen sofort.“
„Was ist los?“, rief Emily.
„Derrick und Bianca Conti sind entführt worden.“
Claudia war wie vor den Kopf geschlagen. Sie war vollkommen taub und empfindungslos.
Während der rasenden Fahrt zum Haus ihrer Eltern hatte sie nur drei Dinge registriert: Ihre Übelkeit. Ihre Unfähigkeit, die wirbelnden Gedanken zu ordnen. Und Ethan.
„Wir sind fast da, Schatz“, sagte er.
„Gut.“ Sie sah auf ihre Hände hinunter, die gefaltet in ihrem Schoss lagen. „Sind Shane und Emily noch hinter uns?“
„Aber sicher. Shane hängt dauernd an meiner Stoßstange. Unsere Autos sind so gut wie verlobt.“
Claudia versuchte zu lächeln. Es war ein schwacher Versuch, der kläglich misslang.
„Ethan?“
Er kam gerade mit quietschenden Bremsen vor dem Haus ihrer Eltern zum Halt. „Ja, Schatz?“
„Derrick ist wahrscheinlich gar nicht entführt worden, oder?“
Ethan zögerte kurz. „Nein, Schatz“, sagte er sanft. „Ich glaube nicht.“
„Und Bianca?“
„Ich weiß nicht. Wir müssen wohl davon ausgehen, dass sie wirklich entführt worden ist.“
Shanes Wagen kam zum Stehen, als Ethan aus seinem grauen Buick sprang. Er lief um den Wagen herum, half Claudia beim Aussteigen und legte den Arm um sie. Diesmal ließ sie es zu. Ethan war sehr froh darüber. Es gab so wenig, was er für sie tun konnte. Claudia wirkte ruhig und gefasst, aber Ethan wusste, dass es der Schock war.
Sie hatte ihn eben schon wieder überrascht. Hut ab! Nach all ihren Zweifeln, ihrer Weigerung, der Wahrheit ins Gesicht zu sehen, und ihren Selbstvorwürfen hatte sie diese „Entführung“ durchschaut und erkannt, was sie in Wirklichkeit war. Der letzte verzweifelte, irrsinnige Versuch ihres Bruders, etwas Großes zu vollbringen.
Wenn er auch sonst die anderen nicht übertrumpfen konnte –
Weitere Kostenlose Bücher