COLLECTION BACCARA Band 0259
Rebecca verborgen blieb.
Am liebsten hätte sie ihm seinen dämlichen Hut ganz ins Gesicht gezogen. „Weil die Toten interessanter sind“, gab sie spitz zurück.
„Solche abartigen Neigungen hätte ich Ihnen gar nicht zugetraut“, spottete er. „So korrekt und ordentlich, wie Sie immer auftreten.“
Rebecca konnte es nicht fassen und hatte schon eine hitzige Antwort parat, aber dann besann sie sich anders. Den Gefallen würde sie ihm nicht tun.
„Danke“, sagte sie liebenswürdig und faltete die Hände im Schoß. „Ich gebe mir immer Mühe, so professionell wie möglich aufzutreten.“
„Ich wusste doch, man soll sich vom äußeren Erscheinungsbild nicht täuschen lassen“, konterte er. „Da sieht man es mal wieder.“
„Ich bin gern bereit, Ihren Horizont zu erweitern“, bot Rebecca an. „Ich interessiere mich für Geschichte, weil unsere Vorfahren noch heute unser Leben mitbestimmen. Nehmen Sie nur die Far Hills Ranch.“ Sie beugte sich eifrig vor. „Überlegen Sie mal, wie anders heute alles wäre, wenn Charles Susland bei Leaping Star geblieben wäre und sie nicht verstoßen hätte, um eine reiche weiße Frau zu heiraten. Möglicherweise gäbe es dann weder die Ranch noch die Stadt Far Hills. Oder was wäre, wenn er sich um das Kind gekümmert und dieses Kind überlebt hätte? Hätte seine Ehe mit Annalee das überdauert? Vielleicht wäre der Name Susland ja schon vor hundert Jahren ausgestorben.“
„Wenn es diese Ranch nicht gäbe, dann eben eine andere. Ich wäre jedenfalls immer noch derselbe.“
Ganz bestimmt nicht!
„Das glaube ich nicht. Nehmen Sie einfach nur Ihren Namen.“
„Was ist damit?“
„Auch der Name Chandler ist Geschichte. Früher hießen die Handwerker, die Kerzen herstellten, so. Einer Ihrer Vorfahren muss also Kerzenmacher gewesen sein.“
„Pferdedieb ist wahrscheinlicher.“ Luke klang nicht mehr ganz so abweisend. „Selbst wenn. Was interessiert mich eine zufällige Buchstabenkombination?“
„Sagen Sie das nicht. Namen können sehr praktisch sein. Wenn ich zum Beispiel Alkohol trinke, nehme ich Zuflucht bei den Frauen von Heinrich VIII. Kann ich alle sechs in der richtigen Reihenfolge aufsagen, weiß ich, dass ich noch einigermaßen nüchtern bin.“
„Und wie oft haben Sie das bis jetzt gebraucht?“, wollte Luke wissen. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie mit Ihrer Großmutter viel zum Feiern kommen. Es sei denn …“ Er unterbrach sich abrupt, und sie wusste, dass er daran dachte, was sie ihm von ihrer Mutter erzählt hatte. Es störte sie nicht. Außerdem konnte man bei ihrer Mutter nicht gerade vom Feiern reden.
„So bin ich immerhin heil durchs College gekommen.“
„Also gut. Wie hießen die Damen?“ Er legte die Arme auf den Tisch und beugte sich zu ihr.
„Wollen Sie damit andeuten, ich hätte möglicherweise zu viel getrunken?“
„Ich will überhaupt nichts andeuten. Ich will nur wissen, wie die Frauen von Heinrich VIII. hießen.“
„Katherina von Aragon, Anne Boleyn, Jane Seymour, Anne von Kleve, Catherine Howard und …“, sie konnte ihr Triumphgefühl nicht verhehlen, „… und Catherine Pair – oder Parr? Jedenfalls hat sie ihn überlebt.“
Sie lehnte sich zurück und wartete darauf, dass Luke sich beeindruckt zeigte. Aber sie wartete vergebens.
„Oder war das Anne of Cleves?“ Sie runzelte die Stirn. „Die beiden haben von Anfang an getrennt gelebt, und ich weiß nicht mehr, wann sie gestorben ist. Aber ich habe es einmal gewusst.“
Im Moment konnte sie sich an nichts erinnern, ihr Gedächtnis war wie leer gefegt. Das konnte nur eines bedeuten. Sie stand mit einem Ruck auf. „Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen.“
„Rebecca …“
„Gute Nacht, Luke. Wir sind zwar noch nicht fertig, aber es ist wohl besser, wenn ich gehe.“ Sie sprach betont artikuliert. „Ich werde mich wieder mit Ihnen in Verbindung setzen.“
Luke blickte ihr skeptisch nach. Sie ging sehr aufrecht, zu aufrecht. Auch das noch. Rasch sprang er auf und folgte ihr. Am Ende des Parkplatzes holte er sie ein.
„Wo wollen Sie hin?“
„Nach Hause.“
„Zu Fuß?“
Sie sah ihn ernst an. „Ich habe zwar nur einen Whisky getrunken, aber sicher ist sicher.“
Luke seufzte und umfasste ihren Ellbogen. „Ich fahre Sie.“
„Nett von Ihnen, aber ich halte das für keine gute Idee.“
„Ich kann zwar die sechs Frauen von Heinrich VIII. nicht aufzählen, aber das konnte ich noch nie. Sie müssen mir also vertrauen, dass ich
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