COLLECTION BACCARA Band 0259
Hills funktioniert es sicher auch. Aber die Welt da draußen ist hart.“
Marti schüttelte den Kopf. „Das macht keinen Unterschied. Wichtig ist, was sie dort findet, nicht, was die Welt in ihr zu finden glaubt.“
Das war eine hübsche Philosophie, und vielleicht konnte man in Wyoming damit auch gut leben. Aber in Rebeccas Welt ging es anders zu. Da wurde man nach Äußerlichkeiten beurteilt und musste ständig auf der Hut sein, was man sagte und tat. Das hatte ihre Großmutter ihr schon frühzeitig eingeschärft.
„Luke ist eine der seltenen Ausnahmen“, sagte Marti. „Er kümmert sich nicht um das Geschwätz der Leute.“
„Er ist nun mal ein Einzelgänger.“
Davon wollte Marti nichts hören. „Gerade Männer wie er brauchen eine Frau. So wie Sie einen Mann brauchen.“
Mit diesem Frontalangriff hatte Rebecca nicht gerechnet. „Das sagen ausgerechnet Sie?“, konterte sie spontan. „Sie kommen doch offenbar großartig ohne Mann aus.“
Sie hätte sich am liebsten auf die Zunge gebissen, doch Marti war keineswegs verärgert, sondern errötete nur leicht. „Ja, natürlich. Aber das heißt doch nicht, dass ich mir nicht etwas anderes wünsche. ‚Bis dass der Tod euch scheidet‘ – ich finde, das klingt schön.“
„Diese Art von Liebe gibt es nicht“, meinte Rebecca wegwerfend.
Marti sah sie forschend an. „Und was ist mit Ihren Eltern?“
Rebecca lachte bitter auf. „Die sind das beste Beispiel dafür, dass es keine ewige Liebe gibt.“
„Irgendetwas muss die beiden doch einmal verbunden haben, sonst …“
„Sonst gäbe es mich nicht? Wohl kaum. Sex funktioniert auch ohne Liebe. Okay, meine Mutter war womöglich in meinen Vater verliebt. Und was hat es ihr gebracht? Einen Liebhaber, der sie verlassen hat, als sie schwanger war, und dann die Schmach, mit einem unehelichen Kind zu ihrer Familie zurückzukehren. Sie fing an zu trinken. Wenn so die Liebe aussieht, dann vielen Dank.“ Marti schwieg, und Rebecca wurde auf einmal bewusst, wie aggressiv sie geklungen hatte. „Entschuldigen Sie bitte. Ich wollte Sie nicht mit meinen Familiengeschichten belasten.“
„Sie glauben, Ihre Eltern hatten eine rein sexuelle Beziehung, und als Ihre Mutter schwanger war, ließ Ihr Vater sie sitzen?“
„Ja.“
Marti seufzte und kramte dann in ihrer Tasche. „Das ändert natürlich einiges. Sie werden wohl umdenken müssen, meine Liebe.“ Sie drückte Rebecca einen Umschlag in die Hand. „Darin finden Sie hoffentlich alles, wonach Sie suchen.“
In diesem Moment kamen Luke und Emily zurück, und die Passagiere wurden zum Einchecken aufgerufen. Marti verabschiedete sich rasch von ihrer kleinen Tochter und verschwand dann hinter der Sicherheitstür.
„Kommen Sie“, knurrte Luke, ohne Rebecca anzusehen. „Wir haben eine lange Fahrt vor uns.“
Rebecca nahm das Mädchen an der Hand. „Emily will bestimmt noch sehen, wie das Flugzeug startet.“ Sie wartete gar nicht erst auf eine Antwort, sondern zog Emily zum Aussichtsfenster. Rebecca deutete auf ein Flugzeug.
„Siehst du? Da sitzt deine Mom drin.“
Emily verzog das Gesicht und fing an zu weinen. Offensichtlich wurde ihr jetzt erst bewusst, dass Marti nicht mehr da war. Ihr Weinen wurde lauter und ging in ein Brüllen über, und die ersten Reisenden sahen sich missbilligend nach ihnen um.
„Leise, Emily“, meinte Rebecca beschwichtigend. „Bitte. Du musst nicht traurig sein. Deine Mom kommt ja bald zurück. Sie möchte bestimmt nicht, dass du weinst.“
„Erzählen Sie ihr keinen Unsinn.“
Emily klammerte sich an Lukes Bein, und er hob sie auf den Arm. Schluchzend legte sie den Kopf an seine Schulter. Ohne Rebecca auch nur eines Blickes zu würdigen, drehte Luke sich um und setzte sich in Richtung Ausgang in Bewegung.
„Rebecca? Rebecca Dahlgren!“ Nicht auch das noch! Rebecca schloss für einen Moment die Augen, doch die Erscheinung verschwand nicht. Claudia Bretton-Smith, die Intimfeindin ihrer Großmutter, die alle verachtete, die „nicht zu uns“ gehörten, stand vor ihr.
Rebecca zwang ein Lächeln auf die Lippen. „Mrs. Bretton-Smith! Wie geht es Ihnen?“
„Schlecht. Ich habe einen grässlichen Flug hinter mir. Man sollte ja meinen, dass man als Passagier der ersten Klasse noch etwas zählt! Aber dann zwingt man mich umzusteigen! Die Fluggesellschaft wird von meinem Anwalt hören.“
Rebecca fühlte sich sofort wieder nach Delaware zurückversetzt.
Mrs. Bretton-Smith maß sie mit einem abschätzenden Blick.
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