COLLECTION BACCARA Band 0259
„Aber ich glaube, ich kenne das eigentliche Problem. Du warst zu lange allein. Geh und zieh dich um. Wir machen einen Ausritt in die Wüste.“
„Und wenn ich nicht will?“
Er musterte sie forschend. „Du brauchst es nur zu sagen.“
Erinnerungen stiegen in ihr auf. Die klare Luft der Wüste. Die Schönheit der Landschaft. Die unendliche Einsamkeit.
„Doch, natürlich möchte ich in die Wüste reiten.“
„Dann zieh dich schnell um. Wir treffen uns in einer halben Stunde unten.“
„Heißt das, ich kann mich von nun an im Palast frei bewegen?“
Er grinste. „Darauf würde ich nicht wetten.“
5. KAPITEL
Als Daphne auf dem Rücken ihres Pferdes saß, erschien ihr die Welt plötzlich strahlender und schöner als je zuvor.
Sie hatte tausend Gründe, auf Murat böse zu sein. Aber das alles war plötzlich nicht mehr wichtig. Daphne wollte reiten, den Wind in den Haaren spüren und sich mit ausgestreckten Armen im Kreis drehen, bis ihr schwindlig wurde. Sie wollte klares kaltes Wasser aus einer unterirdischen Quelle trinken und das Leben schmecken. Anschließend konnte sie ja wieder wütend auf Murat sein.
„Fertig?“, fragte er.
Sie nickte und zog ihren Hut tiefer in die Stirn. Die Pferde begannen unruhig zu tänzeln.
„Wann bist du zum letzten Mal geritten?“, erkundigte er sich.
„Vor ein paar Monaten. Eigentlich reite ich regelmäßig. Nur in letzter Zeit hatte ich zu viel zu tun.“
„Dann lassen wir es ruhig angehen. Du bist mit dem Gelände nicht vertraut.“
„Ich habe nichts gegen ein schnelles Tempo.“
Er lächelte amüsiert. „Natürlich nicht. Aber du bist aus der Übung.“
Daphne sah ein, dass er recht hatte. Sie musste sich erst einmal an ihr Pferd gewöhnen. Also setzte sie sich langsam in Bewegung und genoss die einzigartige Landschaft.
Die königlichen Stallungen lagen am Rande der Wüste, eine knappe Autostunde vom Rosa Palast entfernt. Daphne liebte dieses Land. Sie wusste, dass sie hier glücklich sein konnte. Und es reizte sie, die Stammbäume der Pferde zu studieren und zukünftige Generationen von stolzen Araberpferden zu planen. Das brauchte Murat aber nicht zu wissen. Er hatte ohnehin schon zu viel Macht über sie.
Sie ließ den Blick über die immer kärglicher werdende Landschaft schweifen, bis rings um sie herum nur noch goldgelber Sand war, so weit das Auge reichte. Es herrschte völlige Stille – kein Vogel zwitscherte, kein Blatt wisperte im Wind. Daphne hob beide Arme der Sonne entgegen und lachte aus purer Lebensfreude.
„Wie immer du auch zu mir stehst“, sagte Murat bewegt, „mein Land hast du immer geliebt.“
„Das stimmt.“
„Du hättest mal zwischendurch zu Besuch kommen sollen. Wie schade, dass du das alles so lange nicht gesehen hast.“
Sie nickte versonnen. Er hatte recht. Sie liebte die weichen Hügel zwischen den lang gestreckten Ebenen. Sie liebte die kleinen Lebewesen, die in dieser Ödnis überlebten. Aber am meisten liebte sie die Oasen, diese saftig grünen Tupfen in der Weite der Wüste.
„Hier draußen spürt man die Geschichte.“ Daphne dachte an all die Generationen von Wüstensöhnen, die genau diesen Pfad benutzt hatten.
„In der Wüste ist man näher an der Vergangenheit. Ich spüre hier überall mein Erbe.“
Sie lächelte keck. „Du entstammst einer Linie von Männern, die ihre Frauen geraubt oder entführt haben, beziehungsweise im besten Fall eine arrangierte Ehe eingingen. Seid ihr alle genetisch vorbelastet und deswegen unfähig, einer Frau vernünftig den Hof zu machen?“
Er lachte amüsiert.
„Ich meine es ernst“, sagte Daphne.
„Nein, du zwickst den Tiger in den Schwanz. Pass auf, dass er sich nicht plötzlich auf dich stürzt und dich verschlingt.“
Mit seinen Worten malte er ein Bild, das sich vor ihrem inneren Auge in eine leidenschaftliche Liebesszene verwandelte. Zwei Körper, voller Hingabe ineinander verschlungen …
Daphne versuchte, auf andere Gedanken zu kommen. Sie durfte auf keinen Fall mit Murat schlafen. Das wäre unter den gegebenen Umständen eine Katastrophe. Er würde triumphieren und ihre Hingabe als Zustimmung zu seinen Heiratsplänen deuten.
Doch die Bilder in ihrem Kopf ließen sich nicht so rasch verscheuchen. Sie fragte sich, wie er wohl als Liebhaber wäre. Seine Küsse waren jedenfalls so betörend, dass ihr allein bei dem Gedanken an eine heiße Liebesnacht schwindlig wurde. Vor zehn Jahren hatte seine offensichtliche sexuelle Erfahrung sie eher eingeschüchtert
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