COLLECTION BACCARA Band 0259
als neugierig gemacht. Heute allerdings wäre sie gern bereit, ein Wochenendseminar zu diesem Thema zu buchen – mit ihm als Lehrer.
„Die Ehen meiner Vorfahren endeten alle glücklich“, fuhr Murat fort.
„Woher weißt du das?“
„Es gibt Briefe und Tagebücher.“
„Die würde ich gern mal lesen. Ich will dir natürlich nicht unterstellen, dass du mich anlügst …“ Sie zögerte. „Nun, eigentlich will ich genau das.“
„Du traust mir zu, dass ich lüge?“
„Ich glaube, du würdest die Wahrheit ein wenig verbiegen, wenn es deinen Absichten dient.“
Er murmelte etwas Unverständliches. „Wie erklärst du dir, dass eine Beziehung dreißig oder vierzig Jahre hält und so viele Kinder daraus hervorgehen?“
„Frauen müssen nicht glücklich sein, um schwanger zu werden.“
„Ich werde dir die Tagebücher geben. Dann wirst du selbst entdecken, dass du meine Vorfahren genauso falsch einschätzt wie mich. Wollen wir jetzt etwas schneller reiten?“
Der plötzliche Themenwechsel kam ihr nicht ungelegen. Sie nickte zustimmend. „Reite du voraus.“
Er nickte. Dann beschleunigte er das Tempo und ließ seinen Hengst galoppieren. Daphne folgte im selben Tempo. Sie lehnte sich nach vorn, als der Boden unter ihr zu verschwimmen schien. Vor Vergnügen hätte sie laut herauslachen mögen.
Augenblicke wie diese vermisste sie in ihrem normalen Leben. Ihre Ausritte verliefen für gewöhnlich gemütlich auf ausgetretenen Pfaden in der vertrauten Umgebung von Chicago.
Hier jedoch bewahrte die Wüste Geheimnisse aus Tausenden von Jahren. Während ihr eigener Familienstammbaum bis ins siebzehnte Jahrhundert zurückreichte, konnte Murat auf über tausend Jahre zurückblicken.
Sein Name würde bewahrt werden und sein Leben nicht in Vergessenheit geraten. All das bot er ihr ebenfalls an. Das Privileg, ein Teil der Geschichte von Bahania zu werden. Unter ihrem Herzen würde sie die zukünftigen Könige dieses Landes tragen.
Nach einer Weile ritt Murat langsamer. Automatisch passte sie sich seinem Tempo an.
„Es ist nicht mehr weit bis zur Oase“, erklärte er. „Wir lassen die Pferde ein bisschen abkühlen.“
Sie nickte zustimmend, hing in Gedanken aber weiter ihren Fantasien nach. Teil der Geschichte zu sein, das klang faszinierend. Vor zehn Jahren war ihr gar nicht bewusst gewesen, was Murat ihr alles zu bieten hatte. Doch in letzter Zeit konnte sie an nichts anderes mehr denken.
„Deine Augen strahlen plötzlich nicht mehr“, bemerkte er. „Worüber sorgst du dich?“
„Ich bin nicht besorgt, nur nachdenklich.“
„Erzähl mir, was dir im Kopf herumgeht.“
Sie betrachtete ihn. Sein markantes Gesicht, die glutvollen Augen. Den muskulösen Körper und die stolze Haltung, die eine natürliche Autorität ausstrahlte.
„Du bist Kronprinz Murat von Bahania“, begann sie. „Eines Tages wirst du dieses Land regieren. Deine Familiengeschichte reicht bis in Zeiten zurück, als meine Vorfahren noch in Hütten lebten und im Winter vor Kälte fast erfroren sind. Warum willst du ausgerechnet mit mir dein Leben teilen? Warum ich?“
Murat blickte sie nicht an, sondern deutete auf den vor ihnen liegenden Hügel. „Gleich hinter dieser Düne ist die Oase.“
„Du willst meine Frage also nicht beantworten?“
„Nein.“
Daphne beließ es dabei. Sie war zwar neugierig auf seine Antwort, aber es gab eben auch viele Dinge, über die sie lieber nicht reden wollte, einschließlich der Tatsache, dass sie ihre Chance zur Flucht nicht genutzt hatte. Im Augenblick der Freiheit war sie auf direktem Weg dem Mann in die Arme gelaufen, der sie gefangen hielt.
Sie ritten schweigend weiter, bis sie die Oase erreichten. Voller Ehrfurcht blickte Daphne auf die kleine Zuflucht mitten in der Wüste. Klares blaues Wasser schwappte an das grasbewachsene Ufer eines kleinen Teichs. Daneben wuchsen eine Gruppe Dattelpalmen und einige Sträucher.
„Paradiesisch“, bemerkte sie seufzend. Sie ließ sich aus dem Sattel gleiten und nahm ihren Hut ab.
„Freut mich, dass es dir gefällt.“
„Aha, sicher, meine Freude versüßt dir ja den Tag.“
Diese Bemerkung war ironisch gemeint. Eine kleine Stichelei. Aber Murat lächelte nicht.
„Vielleicht ist es so“, erwiderte er ernst. „Wahrscheinlich ist das genau der Punkt, den du nicht verstehst.“
Bevor sie begriff, was er gerade gesagt hatte, führte er sein Pferd in den Schatten und wechselte das Thema. „Wir machen hier Pause.“
Sie folgte ihm und wandte
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