COLLECTION BACCARA Band 0259
Frau.“
Murat ließ die Kinder hereinbringen: ein Junge von etwa vierzehn Jahren mit einem deutlich jüngeren Mädchen an der Hand. Während der Junge weinte, schien das Mädchen noch gar nicht zu begreifen, was geschah.
Murat sah den Jungen streng an. „Hast du ein Brandmal auf dem Arm?“
Der Junge straffte die Schultern. „Ich stehle nicht, Prinz Murat. Ich beschütze meine Schwester und halte das Andenken meiner Mutter in Ehren.“
„Sehr gut.“ Murat wandte sich an die Menge. „Zwei Kinder des Diebes.“
Einen Moment lang herrschte Stille. Dann trat ein großer Mann von Anfang vierzig ans Podium.
„Ich nehme die beiden.“
Murat schwieg.
Der Mann nickte ernst. „Ich gebe mein Wort, dass ich für sie sorgen werde wie für meine eigenen Kinder.“
Murat sagte immer noch nichts. Schließlich seufzte der Mann, der das Angebot gemacht hatte, und rief etwas in die Menge. Die Leute reckten die Hälse, als ein Mädchen von etwa elf Jahren vortrat.
„Meine Jüngste“, sagte er schweren Herzens. „Sie ist mir ans Herz gewachsen. Ich gebe sie in Eure Obhut, um die Sicherheit jener zu garantieren, die ich an Kindes statt annehme.“
Das Mädchen schaute verängstigt zu ihm auf. „ Baba?“
Er tätschelte seiner Tochter den Kopf. „Es wird alles gut, Kind.“
Murat erhob sich. „Einverstanden. Die Kinder des Diebs kommen in eine neue Familie. Ihr zukünftiges Leben wird unbelastet sein von ihrer Vergangenheit.“
Er ging zu Daphne und hielt ihr die Hand hin. Sie stand auf, nahm seine Hand und folgte ihm zum Hinterausgang des Zeltes.
„Was sollte das?“, fragte sie irritiert. „Warum hat der Mann seine Tochter nach vorn geholt?“
„Weil sie als Sicherheit dient. Wir werden überprüfen, ob es den beiden Kindern bei ihm gut geht. Wenn nicht, nehmen wir sie ihm wieder weg, zusammen mit seiner eigenen Tochter. Sie ist der Anreiz, dass er Wort hält.“
„Interessante Methode.“
„Auf jeden Fall eine Methode, die sich bewährt hat.“
Nach dem Lunch beriet Murat sich mit dem Ältestenrat. Daphne unternahm inzwischen einen Spaziergang durch die Zeltstadt. Sie passierte die provisorischen Ställe und blieb schließlich stehen, um einer Gruppe Jungen beim Fußballspielen zuzusehen. Da trat eine junge Frau zu ihr heran und verneigte sich.
„Ich grüße Sie, Prinzessin“, sagte sie. „Ich heiße Aisha. Es ist mir eine Ehre, Sie kennenzulernen.“
„Die Ehre ist auf meiner Seite“, erwiderte Daphne freundlich.
Die junge Frau war nicht älter als siebzehn und umwerfend hübsch. In der sicheren Umgebung des Lagers bedeckte sie ihren Kopf nicht. Um ihre großen braunen Augen waren winzige Lachfältchen eingegraben. Sie hatte volle rote Lippen und blitzende weiße Zähne. Jetzt zeigte sie ein zaghaft optimistisches Lächeln.
„Ich muss zugeben, dass ich nicht ohne Grund zu Ihnen komme“, begann sie. „Ich habe ein Gesuch an den Prinzen, wage es aber nicht, selbst an ihn heranzutreten.“
„Warum nicht?“
Die junge Frau schlug den Blick nieder. „Mein Vater hat es verboten.“
Daphne horchte auf. „Er verbietet dir, Gerechtigkeit zu verlangen?“
Aisha zuckte die Achseln. „Er will mich mit einem Mann in unserem Stamm verheiraten. Der Mann ist sehr angesehen und wohlhabend. Mein Vater muss keine Mitgift für mich zahlen. Stattdessen bekommt er von dem Mann das Geld für fünf Kamele.“
Die althergebrachten Sitten und Gebräuche der Wüstenbewohner waren Daphne fremd, und zum Teil lehnte sie sie auch ab. „Ist der Mann, den du heiraten sollst, älter als du?“
Aisha nickte. „Er ist fast fünfzig und hat viele Kinder, die älter sind als ich. Er schwört, dass er mich liebt und dass ich seine letzte Frau sein werde, aber …“
„Du liebst ihn nicht?“
„Ich …“ Aisha schluckte. „Mein Herz gehört einem anderen“, gestand sie im Flüsterton. „Ich weiß, dass es nicht richtig ist. Und ich darf meiner Familie keine Schande bereiten. Aber ich finde es zu hart, dass ich jemanden heiraten soll, der so alt ist. Bitte, Prinzessin Daphne, als Frau des Kronprinzen ist es Ihr Recht, meinen Fall vorzutragen und für mich zu bitten. Der Prinz wird Sie anhören.“
Daphne dachte an ihre eigene Ehe und die Umstände, die dazu geführt hatten. „Ich bin für diesen Fall nicht die Richtige. Glaub mir.“
„Sie sind meine einzige Hoffnung. Ich flehe Sie an.“ Aisha fingerte an ihren goldenen Armreifen herum. „Nehmen Sie meinen Schmuck. Ich gebe Ihnen alles, was ich
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