COLLECTION BACCARA Band 0259
wandte sich dem jungen Mädchen zu. „Wenn ich mich nicht irre, fehlt doch noch einer in diesem Spiel, oder?“
Aisha nickte scheu. „Barak. Der Mann, den ich liebe.“
Ihr Vater unterdrückte einen zornigen Fluch. Farid hingegen schenkte dem Mädchen ein nachsichtiges Lächeln.
Schließlich trat auch Barak vor, ein junger Bursche von Anfang zwanzig. Er wirkte trotzig und verängstigt zugleich. Auch er verneigte sich ehrerbietig vor Murat.
„Liebst du Aisha?“, fragte Murat streng.
Der junge Mann riskierte einen raschen Blick in ihre Richtung. Dann nickte er. „Von ganzem Herzen. Ich habe Geld gespart und Kamele gekauft. Mit ihrer Mitgift bekommen wir noch drei Kamele dazu. Dann haben wir eine schöne Herde. Ich kann für sie sorgen.“
„Von mir kriegt sie keine Mitgift“, protestierte der Vater. „Nicht für dich. Farid ist ein guter Mann. Die bessere Partie.“
„Vor allem für dich“, gab Murat zurück. „Fünf Kamele für deine Tochter, statt eine Mitgift zu bezahlen, das ist ein guter Handel.“
Der Vater erwiderte nichts.
Murat musterte Farid forschend. Irgendetwas stimmte mit seiner Hautfarbe nicht. Seine Augen lagen tief in dunklen Höhlen.
„Hast du Söhne?“, wollte Murat wissen.
„Sechs, Eure Hoheit.“
„Alle verheiratet?“
„Zwei sind ledig.“
Nun begriff Murat die Situation. „Wie lange hast du noch?“
Farid schien zunächst überrascht, antwortete dennoch schnell. „Höchstens ein Jahr.“
„Was?“, rief der Vater des Mädchens. „Wovon redet ihr?“
Murat schüttelte traurig den Kopf. „Das geht dich nichts an.“ Er stand auf und nickte Daphne zu. „Komm bitte mal mit.“
Er führte sie in den hinteren Teil des Zeltes.
„Was ist los?“, fragte Daphne. „Wieso unterbrichst du die Anhörung mittendrin? Willst du Aisha etwa zwingen, diesen schrecklichen alten Mann zu heiraten?“
Murat strich zärtlich über ihr langes blondes Haar. „Dieser schreckliche alte Mann wird bald sterben. Er hat weniger als ein Jahr zu leben.“
„Oh. Das tut mir leid. Aber dann hat Aisha ja recht. Er will sie heiraten, damit sie ihn versorgt. Wenn er so reich ist, warum beschäftigt er dann nicht einfach eine Krankenschwester?“
„Weil es nicht um seine Gesundheit geht, sondern um sein Vermögen. Farid hat sechs Söhne. Zwei sind nicht verheiratet. Nach unserem Recht muss er jedem gleich viel hinterlassen, was bedeutet, dass sein Vermögen in kleine Teile zerfällt. Wenn er aber verheiratet ist, kann er seiner Ehefrau vierzig Prozent seines Vermögens vererben und muss nur den Rest unter den Kindern aufteilen. Vermutlich möchte Farid, dass einer seiner unverheirateten Söhne Aisha später mal heiratet, sodass der größere Teil des Vermögens in der Familie bleibt.“
Daphne sah ihn fassungslos an. „Großartig. Dann wird sie also gleich zweimal verkauft.“
„Du hast es nicht verstanden. Farid will sie nicht für sich selbst.“
„Ich habe genau richtig verstanden. In beiden Fällen soll sie jemanden heiraten, den sie nicht will. Was ist mit dem Mann, den sie liebt?“
Warum erkannte Daphne die Vorteile des Arrangements denn nicht? „Aisha könnte schon in ein paar Monaten eine wohlhabende Witwe sein“, erklärte Murat geduldig. „Sie wäre dann unabhängig und müsste keinen der beiden Söhne heiraten, wenn sie es nicht will.“
„Du meinst also, sie soll der Sache jetzt zustimmen und in ein paar Monaten … wie heißt der junge Mann noch?“
„Barak.“
„In ein paar Monaten soll sie dann Barak heiraten? Das ist doch auch furchtbar.“
Murat schüttelte den Kopf. „Bei einer Ehe geht es nicht nur um Liebe, Daphne, sondern auch um finanziellen und politischen Gewinn.“
„Das wird mir gerade bewusst. Was willst du also tun?“
„Was soll ich deiner Meinung nach tun?“
Sie hob die Brauen. „Darf ich entscheiden?“
„Ja. Betrachte es als Hochzeitsgeschenk.“
„Ich möchte, dass Aisha ihrem Herzen folgen darf. Wenn es ihr Wunsch ist, soll sie Barak heiraten.“
„Trotz allem, was ich dir gerade erklärt habe?“
„Nicht trotz, sondern wegen deiner Erklärungen.“
„In ein paar Jahren wird sie vielleicht mit Barak darum kämpfen, ihre vielen Kinder zu ernähren. Meinst du nicht, dass sie sich dann an diesen Tag erinnert und ihren Entschluss bereut?“
„Nicht, wenn sie Barak liebt.“
„Liebe bringt aber kein Essen auf den Tisch.“ Warum überschätzten Frauen dieses flüchtige Gefühl bloß immer?
„Ich möchte, dass sie
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