COLLECTION BACCARA Band 0273
drehte sich dann wieder zu Nick, der sich bereits auf Melindas Platz gesetzt hatte.
„Déjà-vu“, sagte sie. „Nur, dass Sie diesmal nicht eingeladen sind.“
„Möchten Sie, dass Melinda zurückkommt und Sie vor mit beschützt?“
Nein, dachte Emily. Ich möchte lieber, dass Melinda zurückkommt und mich vor mir selbst beschützt. Da saß er nun und lächelte sie an, ihr Nick – er sah zwar ein bisschen verlottert aus, aber langsam fing sie an, seinen Dreitagebart zu mögen.
„Hat es Ihnen die Sprache verschlagen?“, fragte er.
„Lassen Sie uns nicht mehr über mich sprechen.“
„Na gut“, sagte er, als der Kellner an ihren Tisch kam.
„Dann reden wir eben über mich.“
Der Kellner brachte ihnen das Essen. Nicks Gericht bestand aus einem Spargelturm, etwas Weißem und Zerstampftem, das aus Kartoffeln hergestellt zu sein schien, und sehr dünn geschnittenem Fleisch. Das Ganze war mit einer bräunlichen Sauce beträufelt.
Nick drehte den Teller einmal um, musterte den Turm von allen Seiten, nahm seine Gabel und brachte den Turm zum Einstürzen.
Keine Finesse, dachte Emily, aber es waren nicht seine Essgewohnheiten, die sie störten. „Sie haben wohl nicht sehr viel Geduld, oder?“
„Nicht, wenn es um etwas geht, was ich wirklich möchte.“
„Dann möchten Sie die Firma Ihres Vaters gar nicht retten?“
Nick legte langsam die Gabel auf den Tisch. Sein Gesicht war ausdruckslos. Emily hatte das Gefühl, dass sie etwas Falsches gesagt hatte.
„Sie kennen mich wohl sehr gut“, sagte er lächelnd. „Hat Melinda Ihnen dabei geholfen, oder haben Sie in der letzten Woche nicht nur meine Arbeitsweise analysiert?“
„Melinda ist Anwältin. Sie hat eine gute Menschenkenntnis. Aber sie musste mir gar nicht dabei helfen. Sie hängen offenbar an Ihrer Firma und an den Leuten, die dort arbeiten. Sie haben ja selbst gesagt, dass sie wie eine Familie für Sie sind.“
„Und was soll daran schlecht sein?“
„Überhaupt nichts“, sagte Emily, auch wenn der Begriff Familie für sie fremd war –wenigstens der einer glücklichen Familie. „Das Problem ist, dass Ihnen der Laden gehört und Sie damit für jeden, der darin arbeitet, verantwortlich sind.“
Nick rührte das Essen weiter nicht an. Er verschränkte die Arme vor der Brust und sah sie scharf an. „Ich verstehe immer noch nicht, was das Problem dabei ist.“
„Es ist wie das Verhältnis von Eltern zu Kindern. Man kann ab und zu der Freund seiner Kinder sein, aber eben nicht immer. Jemand muss für Stabilität und Kontrolle sorgen, schwierige Entscheidungen treffen, auch wenn das bedeutet, dass die Betroffenen eventuell verärgert oder unglücklich deswegen sind. Und dieser Jemand sind Sie, auch wenn es so scheint, als ob Sie zufrieden damit wären, dass Ihre Angestellten alles unter ihrer Kontrolle haben.“
„Einige dieser ‚Kinder‘ sind schon seit meiner Grundschulzeit bei Porter and Son. Sie kennen das Geschäft besser als ich.“
„Sie kennen nur einen Teil des Geschäftes – die Produktion und den Versand. Es gibt aber auch andere Bereiche, die vernachlässigt werden, Nick. Der Verkauf, der Einkauf, die Produktpräsentation und die Werbung. Das ist Ihre Aufgabe, und Sie haben sich zu wenig darum gekümmert. Mich zu engagieren, war ein guter erster Schritt …“
„Wenigstens von acht bis siebzehn Uhr.“
Emily lehnte sich zurück. Sie erinnerte sich an sein Zögern, als er den Vertrag unterschrieben hatte. Er musste doch begreifen, dass sein Unternehmen in Schwierigkeiten steckte. Es schien fast so, als ob er sich gar nicht helfen lassen wollte. Vielleicht hätte sie aber auch etwas einfühlsamer sein sollen. „Es tut mir leid. Manchmal wächst mir die Arbeit einfach über den Kopf.“
„Das ist Ihr Problem, oder nicht? Bei Ihnen dreht sich alles immer nur um Arbeit. Sie wissen gar nicht, wie es ist, Vergnügen zu haben.“
„Ich kann mir kein Vergnügen leisten. Schließlich habe ich eine Firma.“
„Die habe ich auch.“
„Noch.“
Nick sah aus, als ob ihn jemand gerade geohrfeigt hätte.
„Es tut mir leid, Nick. Aber es wird Ihnen nicht helfen, wenn ich alles so rosig betrachte wie Sie.“
„Meine Bank hat mir bereits die Leviten gelesen. Ich kann … ich werde Porter and Son wieder in die schwarzen Zahlen führen.“
Bingo, dachte Emily. Er wollte gar nicht, dass sie ihm half, sondern war dazu gezwungen worden. Sie schob ihren Teller beiseite. Vielleicht sollte sie den Job nun beenden. Die
Weitere Kostenlose Bücher