COLLECTION BACCARA Band 0273
verschlossen, aber vorher hatte sie noch mit ihrer Kamera für eine Sekunde seinen schmerzlichen Ausdruck eingefangen. Sie fragte sich, wieso ein Mann, der fünfzehn Jahre lang für das Gemeinwohl tätig war, plötzlich Touristen herumflog. Ohne Grund gab doch kein Mann eine Tätigkeit auf, die er so lange gemacht hatte.
„Vermisst du das alles?“
„Wie meinst du das?“
„Die heulenden Winde und die stürmische See. Den Adrenalinschub, den man bekommt, wenn man die Elemente bekämpft und Leben rettet. Das ist ganz schön heldenhaft.“
„Ich bin kein Held, Serena. Ganz im Gegenteil. Wenn du dir so ein Bild von mir machst, wirst du garantiert enttäuscht.“
„Danke für die Warnung“, gab sie trocken zurück. „Übrigens ist mein Vater in der vierten Generation Fischer. Meine Brüder sind Fischer, und auch meine Cousins. Ich weiß, an wen sie sich wenden, wenn das Meer stürmisch wird und ein Schiff untergeht. Ich kenne deine Arbeit.“
„Ich mache das nicht mehr.“ Der Charmeur war plötzlich verschwunden, und an seiner Stelle stand jetzt ein ernster Kämpfer. Der Charmeur war schon unwiderstehlich gewesen, aber der Kämpfer raubte ihr den Atem. „Mach deine Fotos“, sagte er etwas barsch. Aber die hatte sie schon gemacht, und sie würden bestimmt auf keiner Ansichtskarte erscheinen.
„Komm her“, sagte sie sanft, und er sah sie mit einem verletzten Blick an, dessen Ursache sie nicht verstand. Gern hätte sie ihn weiter ausgefragt, aber er würde ihr keine Antwort geben. Die erste Regel beim Interview war, rechtzeitig Schluss zu machen, bevor man an einen toten Punkt gelangte, und dann von einem anderen Ausgangspunkt aus neu zu beginnen.
Groß und nachdenklich, mit den Händen in den Hosentaschen und verschlossener Miene, baute er sich vor ihr auf. „Näher“, befahl sie, dann legte sie ihm die Hand auf die Brust und hauchte einen Kuss auf seine Lippen. „Das ist dafür, dass du dein Land verteidigt hast – selbst wenn du es nur wegen der Marinehubschrauber getan hast.“ Wieder küsste sie ihn sanft und bemerkte, wie seine Augen dunkel wurden. „Und das ist dafür, dass du dein Leben für andere Menschen riskiert hast, tagaus, tagein, acht Jahre lang.“ Sie legte ihm die Hand auf die Schulter und küsste ihn fester. Zufrieden stellte sie fest, dass er den Kuss erwiderte und die Schatten aus seinen Augen verschwunden waren.
„Und wofür war das?“, murmelte er.
„Für das Abendessen.“ Sie schlenderte zum Rand des Plateaus. „Du lädst mich doch zum Abendessen ein, oder?“
Pete lud Serena in das kleine Restaurant oben in den Bergen ein, wo es angeblich die beste Fischsuppe der Welt gab und wo die Luft so dünn war, dass er jedes Mal tief einatmen musste, wenn er Serena ansah. Sie trug ein cremefarbenes Kleid mit tiefem Ausschnitt und lauter kleinen Knöpfen vorn, die die Fantasie eines Mannes anregten. Und das war ihr bewusst, das merkte er an ihrem Lächeln. „Das ist aber jetzt ein Kleid für das erste Date.“ Er küsste ihr Haar, während er ihr den Stuhl zurechtschob. „Wenn es auch nicht blau ist.“
„Hattest du das blaue Kleid erwartet?“, fragte sie lachend.
„Ja, ich hatte mich schon darauf gefreut.“
„Tut mir leid, dass ich dich enttäuscht habe.“
„Hast du nicht. So habe ich noch etwas, worauf ich mich freuen kann.“
„Das blaue Kleid hebe ich mir auf.“
„Wofür?“
„Für den Trevi-Brunnen.“
Gut gekontert. Er liebte den Flirt, und die Frau ihm gegenüber kannte sich damit ebenfalls gut aus.
„Leider sind meine Chancen, dorthin zu kommen, im Moment sehr gering“, seufzte sie. „Und ich vermute, du kannst Tomas auch nicht hängen lassen. Aber zum Glück habe ich eine andere Idee.“ Sie lehnte sich lächelnd im Stuhl zurück. „Dazu braucht man keinen Brunnen und kein blaues Kleid, sondern nur Wasser.“
Er war ganz Ohr. Dieser Frau fiel ständig etwas Neues ein.
Für den Moment zog sie es allerdings vor, das Thema zu wechseln. „Erzähl mir von deiner Familie.“
„Das habe ich doch schon getan.“
„Ich will noch mehr hören.“
Normalerweise erzählte er nicht gern von seiner Familie. Aber hier, in dieser gelösten Atmosphäre, fiel es ihm leicht. Er lehnte sich entspannt in seinem Stuhl zurück und begann: „Mein Vater lebt in Sydney. Er ist Professor für Kunstgeschichte und Spezialist für alte chinesische Porzellankunst. Meine Schwester ist verheiratet und lebt in London. Sie hat die Leidenschaft meines Vaters für
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