Collection Baccara Band 0294
schön, wenn man sich bedankt.“
„Ja, natürlich. Danke . Bitte . Gern geschehen . Großmutter hat es schon immer sehr genau genommen mit der Höflichkeit und guten Manieren.“ Er lachte in sich hinein. „Als Kind fand ich das grauenhaft. Einen Sommer lang musste ich für ein paar Wochen in Miss Tanners ‚Schule für gesellschaftliche Umgangsformen‘. Da hat man dann gelernt, welche Gabel man wofür benutzt, wie man richtig isst und trinkt, wie man ein Messer richtig hält und so weiter und so fort.“
„Du Armer!“, sagte Emily lachend.
„Jeden Morgen hat uns Miss Tanner erklärt, dass gutes Benehmen einem jede Tür im Leben öffnen kann. Und dass die Welt ein besserer Ort wäre, wenn sich alle Menschen an diese Regeln halten würden.“
Er schmunzelte und seufzte leise. „Großmutter hat meine Abschlussurkunde eingerahmt und an die Wand gehängt. Wenn wir das nächste Mal in ihrem Haus sind, zeige ich sie dir. Sie hängt immer noch in meinem alten Kinderzimmer. Direkt neben der Tür, damit ich sie immer sehe, wenn ich daran vorbeigehe, und mich daran erinnere, was Miss Tanner mir beigebracht hat.“
„Wahrscheinlich sollst du dich nicht nur an Miss Tanners Lektionen erinnern. Auch an das, was deine Großmutter dir beigebracht hat.“
Obwohl er immer noch lächelte, sah er plötzlich traurig aus. „Weißt du, was seltsam ist? Mal abgesehen von der Zeit, die ich bei Grams verbracht habe, kann ich mich kaum an meine Kindheit erinnern. Alles andere ist völlig verschwommen. Obwohl ich mich natürlich an bestimmte Menschen und Orte erinnere … Aber irgendwie bedeutet es mir nichts, wenn ich zurückblicke.“
Ja, das konnte sie verstehen. Ida war diejenige, die ihn liebevoll großgezogen hatte. Es war völlig nachvollziehbar, dass sie der Mensch war, an dem sein Herz am meisten hing. Seine ganze Sicht der Welt, sein Leben war mit ihr verknüpft. Verständlich, dass Idas Schlaganfall ihm erst einmal den Boden unter den Füßen weggerissen hatte.
Bis heute hatte er sich wahrscheinlich noch niemals ernsthaft mit dem Gedanken beschäftigt, dass Ida eines Tages nicht mehr da sein würde. Anstatt sich mit dem Unvermeidlichen auseinanderzusetzen, hatte er seine Zeit damit verbracht, sie vor irgendwelchen Betrügern beschützen zu wollen.
Eines Tages würde Cole Preston seine Großmutter verlieren, und tief in seinem Inneren war er sich wahrscheinlich bewusst, dass ihn dies in ein tiefes Loch stürzen würde. Er hatte Angst. Es war diese Angst, die sein ganzes Leben bestimmte. Allein die Beschäftigung mit dem Finanzmarkt und der Börse schienen ihn abzulenken. Das Geld, das er dabei verdiente, jeden einzelnen Cent würde er ohne zu zögern für Idas Wohlergehen einsetzen. Für die besten Ärzte, die teuersten Therapien und die modernsten Medikamente.
Ida konnte sich glücklich schätzen, so geliebt zu werden. Mit einem Mal kamen Emily die Tränen. Sie versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen, griff nach ihrem Glas und trank einen großen Schluck. Um das Gespräch wieder aufzunehmen, stellte sie die erste Frage, die ihr in den Sinn kam.
„Was ist mit deinem Großvater?“
Cole rollte die Augen und beugte sich ein wenig zu ihr. „Sie waren beide noch sehr jung und sind zusammen durchgebrannt. Er kam wohl bei einem tragischen Unfall ums Leben, bei dem ein Klavier aus dem dritten Stock gefallen sein soll. In Chicago. Sechs Monate später kam meine Mutter zur Welt.“
„Fast wie im Kino.“
„Allerdings. Ich war mir nie sicher, ob die Geschichte wirklich stimmt.“
„Nun“, fügte Emily zu Idas Verteidigung hinzu, „es war zur damaligen Zeit wahrscheinlich nicht ganz einfach, schwanger zu sein, ohne einen Ehemann zu haben. Das war ein unerhörter Skandal. Die Geschichte war vielleicht eine Art, die damit verbundene Schikane zu umgehen. Von dem, was du mir sonst über deine Großmutter erzählt hast, war das wahrscheinlich das erste und einzige Mal, dass sie ein solches Zugeständnis an gesellschaftliche Normen gemacht hat.“
Cole nickte und sah auf die Uhr. „Wahrscheinlich darf sie inzwischen Besuch empfangen. Wollen wir?“
„Ja, natürlich“, erwiderte Emily und nahm ihre Handtasche.
Die Krankenschwester am Empfang hatte ihnen bereits gesagt, dass Ida tief und fest schlief. Cole sah zu, wie Emily vorsichtig das Laken unter dem Arm seiner Großmutter glättete und das Gestell mit dem Tropf etwas näher ans Bett heranzog, damit die Kanüle in ihrem Arm nicht in einem unangenehmen Winkel
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