Collection Baccara Band 322
hattest du im letzten Test?“
„Zwei minus.“
„Na bitte, es geht aufwärts.“ Erika klopfte dem Mädchen auf die Schulter und holte ihre Jacken von der Zuschauerbank. Eine Gruppe Männer nahm sofort das Spielfeld ein. Während der Fahrt im Fahrstuhl nach unten blieb Tia still.
„Ich brauche aber eine Eins“, sagte sie schließlich verdrießlich. „Ich brauche so viele Einsen wie möglich, wenn ich fürs College ein Stipendium ergattern will.“
„Du wirst dein Stipendium bekommen“, versicherte Erika ihr und winkte dem Wachmann zu, während sie in den kalten Abend hinaustraten.
Tia fluchte und spuckte aus. „Woher wollen Se das wissen?“
Erika zuckte innerlich zusammen. Eigentlich war das Mentorenprogramm dazu gedacht, auch die Manieren der Schützlinge zu verbessern. Tia, die bei ihrer Tante lebte, da ihre Mutter wegen wiederholter Drogendelikte im Gefängnis saß, war für dieses Programm ausgewählt worden, weil sie für die Schülerzeitung arbeitete. „Lass das Spucken und Fluchen.“
„Machen die andern doch auch“, konterte das Mädchen herausfordernd.
„Du bist nicht die anderen. Du hast Talent und Verstand, bist klug und hast vor allem Ehrgeiz.“
In Tias braunen Augen sah sie Hoffnung und Skepsis zugleich. Erikas Aufgabe bestand darin, diese Hoffnung und den Ehrgeiz des jungen Mädchens zu stärken.
„Haben Sie damit Ihren tollen Job gekriegt, in dem Büro, das Sie mir vor ein paar Wochen gezeigt haben? Ich denk eher, man braucht Verbindungen.“
„Ich arbeite in einem Unternehmen, in dem die meisten Chefs miteinander verwandt sind. Und ich gehöre nicht zur Familie.“
Tia grinste. „Dann mussten Sie sich ja auch schon ganz schön durchbeißen.“
„Kann man so sagen“, räumte Erika ein und winkte ein Taxi heran. Unwillkürlich dachte sie an Gannon. Sie wusste immer noch nicht, wie ihre Entscheidung im Hinblick auf „Pulse“ aussehen würde.
„Meine Tante fragt mich ständig, warum Sie keinen Mann haben.“ Tia stieg in den Wagen, der am Bordstein hielt.
Erika setzte sich neben sie und nannte dem Fahrer Tias Adresse. „Ich habe keinen Mann, weil …“ Warum hatte sie keinen Mann? Weil Gannon mich für andere Männer verdorben hat. „Weil ich mich in jemanden verliebt hatte und er mich verließ.“
„Wow“, sagte Tia. „Wieso hat’n der das gemacht? Für ’ne ältere Lady sehen Sie doch klasse aus.“
Erika stöhnte angesichts der Anspielung auf ihr Alter. „Danke für das Kompliment. Warum er mich verlassen hat? Vermutlich fand er, dass ich nicht die Richtige für ihn war.“
Tia stieß erneut einen Fluch aus. „Dem sollten Sie mal ’ne Lektion erteilen. Schnappen Sie sich einen anderen Mann, einen besseren.“
„Ja“, sagte Erika und dachte daran, dass sie genau das seit einem Jahr versuchte.
Eine Stunde später betrat sie ihr Reihenhaus in Park Slope, streifte ihre Schuhe ab und schlüpfte in ihre Hausschuhe. Lächelnd blickte sie auf die pinkfarbenen flauschigen Dinger. Der Anblick ließ sie stets lächeln.
Sie nahm sich vor, die Sachen in ihrer Sporttasche später zu waschen und stellte sie in den Flur. Auf dem Weg in die Küche sah sie ihre Post durch. Nichts als Rechnungen. Bei einer Postkarte, auf der ein Kreuzfahrtschiff in der Karibik zu sehen war, hielt sie inne. Sofort sehnte sie sich nach wärmerem Wetter, Sonnenschein und einer kalten Margarita zu den Klängen karibischer Musik.
Seufzend verwarf sie diese Fantasie und stellte per Fernbedienung eine CD von Alicia Keys an. Dann schenkte sie sich ein Glas Rotwein ein, nahm ihr Telefon und hörte den Anrufbeantworter ab.
Die erste Nachricht war von ihrer besten Freundin, die sie in eine angesagte Bar einladen wollte. Die zweite kam von ihrer Mutter, die nur hören wollte, wie es ihr ging. Erika biss sich auf die Unterlippe. Ihre Mutter hatte sie kürzlich in einem schwachen Moment erwischt, und sie hatte ihr zu viel über das Ergebnis der ärztlichen Untersuchung erzählt. Die dritte Nachricht war von Doug. Doug, der Blindgänger, fügte sie in Gedanken hinzu. Ein netter Kerl zwar, nur leider schrecklich langweilig.
Ein Piepton signalisierte einen Anrufer in der Leitung und Erika meldete sich automatisch. „Hallo?“
„Erika, ich habe mich gefragt, wann ich deine lebendige Stimme wieder hören werde. Wie geht es dir, Liebes?“
Ihre Mutter. Erika verzog das Gesicht. „Tut mir leid, Mom. Ich hatte viel zu tun bei der Arbeit und mache ein Mentorenprojekt mit einem Teenager aus der
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