Collection Baccara Band 324 (German Edition)
zeichneten sich dunkle Ringe ab. Nie zuvor hatte sie ihn so erschöpft gesehen.
„Hat er gelitten?“, wollte sie wissen.
Wade schüttelte den Kopf. „Nur insofern, als er nicht mehr tun konnte, wonach ihm der Sinn stand. Das medizinische Personal hat alles getan, um ihm seine letzten Tage so angenehm wie möglich zu gestalten. Er war bis zum Ende zu Hause und wurde rund um die Uhr betreut.“
„Danke, dass du für ihn da warst.“
„Er hätte es für mich genauso getan. Außerdem war ich gern an seiner Seite.“
Erneut kritisierte er sie indirekt. Er erinnerte sie daran, dass sie nicht für ihren Vater da gewesen war. Doch sie wollte sich nicht herausreden. Sie konnte nicht ungeschehen machen, was passiert war. Es war Zeit für einen Neuanfang.
„Ich bin wirklich froh, dass du ihm beigestanden hast“, meinte sie. „Bestimmt hat es ihm viel bedeutet. Er hat dich sehr geschätzt.“
„Ich ihn auch.“
„Was passiert jetzt mit der Firma?“
„Wie meinst du das?“, fragte er verwundert.
„Wer kümmert sich jetzt um alles?“
„Ich. Als dein Vater wusste, dass er sterben würde, haben wir eine Vereinbarung getroffen. Vor etwa anderthalb Jahren habe ich die Geschäftsführung übernommen.“
„Wirklich?“ Piper war überrascht. „So früh hat er das Zepter aus der Hand gegeben?“
„Er hatte keine Wahl. Die Behandlung vor Ort und im Ausland war sehr zeitintensiv. Doch er hat sich bis zum Ende für seine Firma interessiert. Du weißt ja, wie er war.“
Und wo war Piper vor anderthalb Jahren gewesen? In Somalia vielleicht? Nein, in Kenia. Sie hatte dort in einer Frauenklinik gearbeitet. Danach war sie nach Asien gereist, um Opfern einer Flutkatastrophe zu helfen. Als sie diese Arbeit beendet hatte, war sie ins nächste Land gezogen, um Familien nach einem Erdbeben zu unterstützen. Sie war überall gewesen – nur nicht bei ihrem sterbenden Vater.
Plötzlich spürte sie die Anstrengungen der letzten Tage. Sie unterdrückte ein Gähnen.
„Immer noch müde?“
„Ja. Ich war über sechsunddreißig Stunden unterwegs. Das war zu viel für meinen Körper.“
„Geh doch nach oben auf dein Zimmer. Ich gebe Mrs Dexter Bescheid, dass sie dir etwas zu essen bringt.“
Piper schnaubte. Das hier war ihr Haus. Warum dachte er, dass er den Gastgeber spielen musste? Doch sie erinnerte sich an ihre Vorsätze. Sie wollte fortan ein besserer Mensch sein. Deshalb schluckte sie ihre Wut herunter und stand auf. „Das brauchst du nicht. Ich hole mir etwas aus der Küche.“
Als sie ihre müden Gelenke streckte, bemerkte sie, dass Wade sie aufmerksam beobachtete. Durch ihren ganzen Körper lief ein erotischer Schauer. Nach wie vor schaffte er es, sie vollkommen durcheinanderzubringen. Ging es ihm genauso? Einen Moment lang sahen sie einander an. Sie errötete, als sie in seinen Augen Begierde las. Doch im nächsten Moment war sein Blick wieder unbeteiligt und distanziert.
Rasch sammelte sie sich und reichte ihm die Hand. „Danke für das, was du heute Abend auf die Beine gestellt hast.“
Er erhob sich und schüttelte ihr die Hand. „Das war ich Rex schuldig.“
„Ich weiß es sehr zu schätzen.“
Rasch ließ er ihre Hand los – als dürfte er sie keine Sekunde länger berühren.
„In Ordnung“, sagte Piper. „Ich glaube, ich gehe heute früh schlafen. Morgen ist bestimmt viel zu tun.“
Als Wade keine Anstalten machte, zur Tür zu gehen, sah Piper ihn fragend an. „Gibt es noch etwas?“
Ein flüchtiges Lächeln huschte über seine Lippen. „Nein. Gute Nacht.“
Sie beobachtete, wie er den Raum verließ. Doch anstatt zur Tür zu gehen, machte er sich auf den Weg nach oben.
„Wohin gehst du?“, wollte sie wissen.
„Auf mein Zimmer.“
„Auf dein Zimmer?“
„Ich wohne hier.“
„Hör mal, ich weiß zu schätzen, dass du dich um meinen Vater gekümmert hast, aber ich wäre dir dankbar, wenn du mich jetzt allein lassen würdest. Ich brauche Zeit, um das alles zu verarbeiten.“
„Du kannst so lange bleiben, wie du möchtest.“
„Wie bitte?“
„Du hast richtig gehört.“
Langsam ging ihr die Geduld aus. Reichte es nicht, dass sie einander zum ersten Mal seit ihrer Trennung wiedersahen – ganz zu schweigen von der Tatsache, dass ihr Vater gestorben war? Sie hatte keine Nerven für Wades Spielchen!
„Nach allem, was passiert ist, sollten wir besser getrennte Wege gehen“, meinte sie ungeduldig.
„Wahrscheinlich wäre das am besten.“ Er zuckte mit den Schultern.
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