Collection Baccara Band 329
Möglicherweise befand sich ja dort das Gesuchte.
Hätte sie bloß besser zugehört, als sie mit Tagg in Las Vegas gewesen war. Die Unterhaltung beim Essen hatte sich nur kurz um das Thema gedreht, und möglicherweise hatte sie einen wichtigen Hinweis verpasst.
Sie drückte die Klinke nieder, und die Tür öffnete sich knarrend. Noch nie war sie bisher in diesem Raum gewesen. Sie hatte keine Notwendigkeit gesehen, da Tagg ihr Angebot, mit ihm zu arbeiten, nicht annehmen wollte. Aufregung erfasste sie. Hoffentlich ließ sich ihr Vorhaben verwirklichen.
Callie betrat das Zimmer, und der muffige Geruch nach alten Papieren und trockenem Staub schlug ihr entgegen. Sie musste mehrmals niesen und fächelte sich mit der Hand Luft zu, wodurch sie neuen Staub aufwirbelte. Rasch wandte sie sich ab, um ihr Gesicht zu schützen, als ihr Blick an zwei Gegenständen im Bücherregal hängen blieb. Sie ging dorthin und entdeckte zwei gerahmte Fotos. Sie waren eingeklemmt zwischen Taggs Urkunden und Rodeo-Champion-Gürtelschnallen.
Ein Bild zeigte Heather auf ihrem Pferd in voller Montur als Rodeo-Queen. Sie trug eine blaue Schärpe über einer schillernden Westernbluse und hatte ein silbernes Diadem im Haar. Der Palomino, auf dem sie ritt, war ein bisschen größer als Freedom, aber nicht ganz so hell. Heather strahlte. Das also war die Frau, die Tagg mit ganzem Herzen geliebt hatte.
Callie konnte Heather nicht böse sein, vor allem nicht, wenn sie an deren tragischen Tod dachte. Aber sie konnte auch die Eifersucht nicht verdrängen, die sich wie eine heiße quälende Flüssigkeit in ihr ausbreitete. Wie schön wäre es, sie wäre die Frau, der Tagg zuerst begegnet war, und er hätte sich in sie verliebt. Ihre Hände zitterten, als sie den Rahmen zurückstellte.
Das zweite Foto zeigte Tagg und Heather zusammen vor dem Haupthaus. Er hatte stolz den Arm um ihre Schultern gelegt. Ihre glücklichen Gesichter sagten alles. Diese Miene hatte Callie bei Tagg noch nie gesehen. Seit sie ihn kannte, hatte er ihr nicht ein einziges Mal dieses strahlende Lächeln geschenkt, das ausdrückte, dass er die Welt wundervoll fand und das Leben liebte.
Callie schlug die Hände vor das Gesicht. Tränen strömten ihr über die Wangen, obwohl sie versuchte, sie zu unterdrücken. Plötzlich löste sich ihre Eifersucht in nichts auf. Ihre Gefühle für Tagg fühlten sich auf einmal qualvoll und überwältigend an. Es war, als könnte sie seinen Schmerz empfinden, seinen Verlust spüren.
Mit Kummer kannte Callie sich aus. Sie hatte als Kind ihre Mutter verloren und damals gedacht, ihr Leben wäre ebenfalls vorbei. Sie wusste, wie schwer ein Verlust wiegen konnte, und empfand tiefes Mitgefühl für Tagg. Er hatte den Menschen verloren, den er am meisten auf der Welt geliebt hatte. Unaufhörlich strömten Callies Tränen weiter, aber jetzt unternahm sie nichts mehr dagegen. Sie weinte für Tagg. Irgendwann bekam sie Kopfschmerzen, und als die Tränen schließlich versiegten, atmete sie tief ein.
Sie riss sich zusammen.
Das Leben ging weiter. Die Geschichte ihrer Mutter lehrte sie das.
Auch sie musste gedacht haben, die Welt würde untergehen, als Rory Worth sie abwies. Ihre Mutter war zusammengebrochen und hatte aufgeben wollen. Aber dann war sie doch stark und mutig geblieben. Sie hatte sich eine zweite Chance auf Glück gestattet und ihr Leben weitergeführt. Ihre Ehe mit Callies Vater war gut gewesen. Sie hatte ihn geliebt, und sie hatte nach vorn geblickt und nicht zurück. Das machten Menschen so. Das würde auch Tagg machen, und Callie würde ihm dabei helfen.
Mit neuem Schwung setzte sie ihre Suche fort. Ihr war jetzt leichter zumute, und sie war entschlossener denn je. Tagg würde bald zweiunddreißig Jahre alt werden, und an diesem Tag wollte sie ihm ein ganz besonderes Geschenk machen.
Eine laute Stimme erschreckte sie. Sie wirbelte herum und entdeckte Tagg mit finsterer Miene im Türrahmen stehen.
„Was, verdammt noch mal, denkst du, gehen dich meine Akten an?“
„Tagg? Ach, du liebe Zeit! Hast du mich erschreckt!“ Sie stieß mit dem Rücken gegen einen grauen Aktenschrank.
Natürlich ist sie erschrocken, dachte Tagg. Sie hatte ihn erst in ein paar Stunden zurückerwartet. Nun sah sie ziemlich schuldbewusst aus. „Du hast nicht gedacht, dass ich schon so früh nach Hause komme, oder?“
„Nein“, erwiderte sie. „Ich dachte, du wärst in Phoenix. Du hast gesagt, dass du erst spät kämest.“
Er verzog die Mundwinkel.
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