Collection Baccara Band 332
brüchig.
„Marc, du hast doch miterlebt, was gestern Abend passiert ist. All diese Feindseligkeiten, das tut weh. Es wäre unverantwortlich, wenn wir – ich meine … Du weißt schon.“
„Ja, ich weiß es. Die Frage ist: Weißt du es auch?“
„Was?“
„Ich habe dieses Wiedersehen nicht geplant, Mari. Aber nachdem es nun einmal passiert ist, habe ich nicht vor, dich wieder gehen zu lassen. Und das heißt nicht, dass ich vorhabe, mich für eine heiße Nummer heimlich in dein Haus zu schleichen.“ Ein kleines Lächeln umspielte seinen Mund. „Obwohl diese Vorstellung durchaus ihren Reiz hat, muss ich sagen. Aber du bedeutest mir viel mehr als das. Es war unglaublich, als ich dich nach all diesen Jahren in Chicago wiedergesehen und gemerkt habe, dass sich nach all der Zeit nichts geändert hat. Ich bin ziemlich praktisch veranlagt und finde es unsinnig, vor der Wahrheit davonzulaufen.“
Mari schluckte krampfhaft. „Es kann nicht funktionieren“, sagte sie nach einer Weile so leise, dass er sie kaum verstand.
„Wie kannst du dir so sicher sein? Du redest dir das nur ein, damit du mich leichter wegstoßen kannst.“ Maris Herz schlug so heftig, dass es schmerzte, als er ihr sanft über die Wangen streichelte.
Ihr Rücken versteifte sich, und er nahm die Hand wieder weg. „Nein. Ich bin nur vernünftig. Und ich will nicht, dass dir wehgetan wird oder dass mein Bruder sich sorgt. Außerdem würde deine Mutter es nicht ertragen, und ich will nicht …“
„Und du? Was willst du , Mari?“
Sie stand auf, trat ans Wasser und sah über den dunklen See hinaus.
Marc rückte näher. „Weißt du was?“ Sein Mund war ganz nah an ihrem linken Ohr, und sie bekam eine Gänsehaut. „Ich glaube, dass du damals vor mir davongelaufen bist, weil du vernünftig sein wolltest. Nicht, weil es richtig war.“
Sie sah ihn an.
„Du hast versucht, dich danach zu richten, was deine Eltern gewollt hätten.“
Ihre Eltern? Sie wurde ärgerlich, als er ihre Eltern erwähnte. „Ich muss mir das nicht anhören.“
Sie wollte aufstehen und weglaufen, aber Marc hielt sie an der Schulter fest.
„Damit wollte ich nicht sagen, dass es falsch war. Ich verstehe dich. Auf einmal waren deine Eltern tot, und das war ein großer Schock für dich. Und du wolltest nur tun, was sie sich deiner Meinung nach gewünscht hätten. Die rebellische Tochter, die sich nachts heimlich aus dem Haus schlich, um den Jungen zu treffen, den ihre Eltern ihr verboten hatten, war von einem auf den anderen Tag verschwunden.“
„Ja, und?“, gab Mari herausfordernd zurück. „Ich hatte mich wie ein egoistisches, verlogenes, undankbares Gör benommen. Manchmal ist eben eine Krise nötig, damit man erkennt, wie dumm und verletzend man sich verhalten hat.“
„Ja, ich weiß. Aber du warst nicht herzlos, Mari. Du hast dich wie ein ganz normaler Teenager verhalten und deine Eltern nicht absichtlich verletzt.“
„Aber erst als sie tot waren, habe ich gemerkt, was ich ihnen angetan habe!“ Mari reagierte fast aggressiv.
„Und jetzt willst du diese Schuldgefühle für den Rest deines Lebens mit dir herumtragen und dich zur Märtyrerin stilisieren?“ Marcs Stimme klang hart.
Als sie aufstand und zum Wasser ging, folgte er ihr, legte die Hände auf ihre Schultern und drehte Mari zu sich herum. „Ich werfe dir deine Schuldgefühle nicht vor. Ich kenne das aus eigener Erfahrung. Aber da gibt es noch etwas …“
Jetzt erst wurde ihr bewusst, dass ihr die Tränen übers Gesicht liefen. Sie sah Marc an und wusste, dass es nicht nur Trauer und Ärger waren, die sie so mitnahmen. Nein, da war noch etwas anderes, er hatte recht.
Hoffnung.
Sie stand ganz still. Nur ihr Herz schlug wie wild. Marc neigte sich zu ihr, bis ihre Gesichter nur noch Zentimeter voneinander entfernt waren.
„Du bist keine achtzehn mehr, sondern eine erwachsene Frau. Sag mir eines: Wenn wir uns in Chicago zum ersten Mal gegenübergestanden hätten – hättest du dann geleugnet, dass es zwischen uns knistert?“
„Das hättest du gern“, sagte Mari. „Aber wir haben uns dort nicht zum ersten Mal getroffen, und wir waren uns nicht fremd. Vor der Vergangenheit können wir nicht davonlaufen.“
„Das will ich auch gar nicht. Aber wir können damit umgehen. Oder es zumindest versuchen.“
Er rieb leicht mit der Hand über ihren Rücken, als könnte er Mari damit ermuntern.
Wir können damit umgehen.
Mari zweifelte daran. Die Dämonen der Vergangenheit würden sie nie
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