Collection Baccara Band 335 (German Edition)
noch schiefgehen?
10. KAPITEL
Connor beugte sich vor, sodass sein Gesicht Leos Bildschirm fast gänzlich ausfüllte. „Und, hast du es ihr inzwischen gesagt?“
Leo schüttelte nur müde den Kopf.
„Hast du dir schon mal überlegt, was passiert, wenn ich Becky tatsächlich finde? Dann wird es zu spät sein. Du musst Abby unbedingt die Wahrheit sagen.“
Das war nichts Neues für ihn. Diese Tatsache machte ihn nicht gerade empfänglicher für brüderliche Ratschläge, mochten sie auch noch so gut gemeint sein. „Ich weiß, kleiner Bruder“, sagte Leo und beendete das Gespräch.
Er nahm die Akte zur Hand, die auf seinem Schreibtisch lag. Das Etikett trug die Aufschrift: Caesars Töchter: Abigail und Rebecca.
Eine Weile saß er da und blätterte durch die Seiten. Zermürbt von Ekel vor sich selbst legte er die Unterlagen schließlich beiseite und schaute blicklos ins Leere.
Connor hatte natürlich recht, wie immer. Er musste es Abby sagen. Das hätte er schon vor langer Zeit tun sollen.
Neben der Akte lag eine kleine rote Schachtel mit einem silbernen Band darum. Darin befand sich an einer Halskette ein kostbarer goldener Anhänger in Form eines Pferdes. Der Umriss der Figur war mit Diamanten besetzt. Als er dieses Schmuckstück im Schaufenster eines Juweliergeschäfts entdeckt hatte, musste er sofort an Abby denken und daran, wie er sie zum ersten Mal auf ihrer Stute gesehen hatte. Abbys Gesicht strahlte damals vor Freude, und ihr honigblondes Haar flatterte im Wind, während sie über die Koppel galoppierte. Der Anhänger war das perfekte Weihnachtsgeschenk für sie, deshalb war er hineingegangen und hatte ihn gekauft.
Er liebte Abby so sehr, dass es ihm manchmal fast die Luft abschnürte. Er hatte nicht gewusst, dass er zu solchen Gefühlen fähig war, und der Gedanke, sie zu verlieren, raubte ihm fast den Verstand. Trotzdem musste er ihr die Wahrheit sagen. Daran führte kein Weg vorbei. Je länger er damit wartete, desto schlimmer würde es werden. Warum also nicht heute? Er würde es ihr sagen. Heute Abend. Gleich als Erstes, wenn er nach Hause kam.
Als die Fahrstuhltür sich öffnete, blickte Miriam auf. Ein freundliches Lächeln erschien auf ihrem reizlosen Gesicht. „Hallo, Mrs Storm. Sie sehen …“
„… dick aus, ich weiß.“
„Aber wunderschön. Wie geht es Ihnen?“
Abby strich über ihren enormen Bauch. „Ich habe das Gefühl, ich müsste jeden Moment explodieren.“
Miriam lachte. „Ich rufe Mr Storm an und sage ihm, dass Sie da sind. Er wird froh sein, Sie zu sehen.“
„Nein, vielen Dank. Ich möchte ihn überraschen. Ich dachte, ich lade ihn zum Mittagessen ein. Falls er noch zu tun hat, gehe ich inzwischen ein wenig einkaufen.“
„Gut, Sie wissen ja, wo Sie ihn finden.“
Mit einem Lächeln auf den Lippen öffnete Abby die Tür zu Leos Büro. Er saß nicht an seinem Schreibtisch.
„Leo?“, rief sie und blickte sich suchend um.
Er gab keine Antwort, also schloss sie die Tür und ging hinüber zu seinem sorgfältig aufgeräumten Schreibtisch. Sie bewunderte ihn immer dafür, dass er so penibel Ordnung hielt. Ihr eigener Arbeitsplatz war dagegen ein einziges Chaos.
Eine kleine rote Schachtel mit einer silbernen Schleife erregte ihre Aufmerksamkeit. Es handelte sich offenbar um ein Weihnachtsgeschenk. Neugierig nahm sie das Päckchen zur Hand. Ihr Name stand darauf. Vorsichtig schüttelte sie es. Es war nichts zu hören. Sie legte es zurück und wünschte sich, es wäre bereits Weihnachten und sie könnte es öffnen. Noch mehr freute sie sich auf Leos Gesicht, wenn er die Geschenke auspackte, die sie für ihn gekauft hatte.
Vage wurde sie sich bewusst, dass im angrenzenden Bad das Wasser rauschte. Sie hatte sich gerade auf Leos Schreibtischsessel gesetzt, als ihr Blick auf eine Aktenmappe fiel. Sie beugte sich vor und zog sie näher zu sich. Auf dem Deckel las sie ihren Namen. Sie wollte die Akte gerade aufschlagen, da öffnete sich die Tür zum Bad.
„Liebling, das ist ja eine wunderbare Überraschung“, drang Leos Stimme zu ihr.
Sie drehte sich um und lächelte ihn an, aber statt aufzustehen und sich in seine Arme zu schmiegen, wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder der Akte zu. Auf dem Etikett stand: Caesars Töchter: Abigail und Rebecca.
Als sie ihren fragenden Blick auf Leo richtete, war er wie erstarrt.
Wie in Trance schlug Abby die Akte auf, las die Informationen und betrachtete die Bilder. Adoptionsdokumente. Fotos von Becky und ihr als Kinder.
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