Collection Baccara Band 335 (German Edition)
umständlich stand Abby vom Sofa auf, wobei ihr Magen sich erneut verkrampfte. Dieses Mal war der Schmerz so heftig, dass sie sich keuchend zusammenkrümmte. Im nächsten Moment spürte sie, wie ihr etwas Nasses die Beine hinunterlief.
Ihre Fruchtblase war geplatzt.
Oh Himmel, das Baby kommt, dachte sie panisch.
Ihr zweiter Gedanke galt Leo, und sie hasste sich dafür, dass sie ihn so sehr brauchte.
Langsam, mit kleinen Schritten, ging sie nach vorn. Als sie öffnete, sah sie sich Leo gegenüber.
„Bitte knall mir die Tür nicht vor der Nase zu“, bat er leise.
Er wirkte schmal und ausgezehrt. Am Tag zuvor hatte sie die feinen Linien um Mund und Augen nicht bemerkt. Offenbar hatte er sich weder rasiert noch seine Haare gekämmt. Unter seinen Augen lagen dunkle Schatten, und seine Hose und sein T-Shirt hätten eine Wäsche vertragen. Er sah überhaupt nicht mehr aus wie ein erfolgreicher Manager. Für jeden anderen Menschen in seinem Zustand hätte sie tiefes Mitleid empfunden.
„Wo ist Kel?“, fragte sie und versuchte, aufrecht stehen zu bleiben.
„Draußen im Wagen. Sie wartet auf dich.“
„Sie weiß doch genau, was du getan hast. Ich kann nicht glauben, dass …“
„Bitte sei ihr nicht böse. Es ist Weihnachten. Ich musste dich einfach sehen. Ich habe ihr leidgetan, deshalb hat sie mir erlaubt, an deine Tür zu klopfen.“
„Gut, du hast mich gesehen. Jetzt geh. Und schick Kel her. Ich brauche …“
Eine weitere Schmerzwelle durchlief sie. Sie presste die Hände auf den Bauch und versuchte vergeblich, die aufsteigenden Tränen zu unterdrücken.
„Was ist los?“, fragte er besorgt.
„Nichts“, log sie und bemühte sich, ruhig zu atmen, doch er war schließlich nicht dumm.
„Es ist das Baby“, sagte er, und es war eine Feststellung. „In welchen Abständen kommen die Wehen?“
„Ich weiß es nicht genau. Das geht bereits den ganzen Vormittag so“, antwortete sie keuchend. „Ich glaube, meine Fruchtblase ist geplatzt.“
„Warum hast du mich nicht angerufen?“
„Du bist der letzte Mensch, den ich anrufen würde.“
„Schon gut.“ Ein Schatten legte sich auf sein Gesicht. „Hast du eine Tasche gepackt?“
Sie nickte. Plötzlich war sie nur noch froh, dass er da war und sich um alles kümmerte. Sie hatte ihn vermisst. Sehr sogar. Und sie brauchte ihn.
„Abby, ich weiß, du glaubst mir nicht, aber ich liebe dich. Nicht deshalb, weil du eine Kemble-Erbin bist. Nur um deiner selbst willen.“
Die nächste Schmerzwelle brach über sie herein und war fast unerträglich. Abby unterdrückte einen Aufschrei und biss sich auf die Unterlippe.
Auf einmal war Leo wie ausgewechselt. Konzentriert und sachlich bat er sie, sich umzuziehen, dann holte er ihre kleine Reisetasche, die sie für die Geburt gepackt hatte, außerdem etwas, das unter dem Weihnachtsbaum lag. Er verstaute beides in seinem Wagen und fuhr ihn direkt vor die Tür. Bevor sie recht wusste, wie ihr geschah, hatte er sie hochgehoben und trug sie behutsam zum Auto.
„Wo ist Kel?“, fragte sie mit gepresster Stimme, während er ihr beim Einsteigen halft.
„Ich bin hier, Liebes.“ Kel nahm ihre Hand und tätschelte sie beruhigend. „Ich bin übrigens ein nervöses Wrack. Er ist ein guter Mann, und er liebt dich. Er hat mich jeden Tag angerufen. Irgendwann habe ich ihm einfach geglaubt.“ Sie strich ihr tröstend über die Wange. „Niemand ist perfekt. Das müssest du eigentlich wissen. Ich an deiner Stelle würde ihm verzeihen und nicht zurückblicken.“
Abby erwiderte nichts.
Leo half ihr beim Anschnallen und fuhr dann los. Während der ganzen Fahrt ins Krankenhaus versuchte er kein einziges Mal, das Gespräch auf die Lüge zu lenken, die sie entzweit hatte. Er fand nur tröstende und aufmunternde Worte, wenn sie von einer Wehe gepeinigt wurde. Ansonsten konzentrierte er sich darauf, sie heil nach Austin zu bringen.
In den immer kürzer werdenden Pausen zwischen zwei Wehen überlegte Abby, ob sie Leo glauben sollte. Liebte er sie wirklich? Er war ganz bestimmt nicht perfekt und hatte seine Fehler, aber falls er sie tatsächlich liebte, wäre das genug für sie?
Nach einer besonders langen und heftigen Wehe beschloss sie, die Beantwortung dieser Frage auf später zu verschieben.
Jetzt musste sie erst einmal ein Kind zur Welt bringen.
Abby lag in einem blütenweißen Krankenhausbett und hatte das Gefühl zu schweben. Sie war so glücklich, dass es fast wehtat, allerdings auch ziemlich erschöpft. Ihr
Weitere Kostenlose Bücher