Collection Baccara Band 337
hinterließ ein mickriges Trinkgeld. An Sandra gewandt, sagte er in spöttischem Ton: „Dass sie mir das aber nicht gleich alles auf einmal ausgeben.“
„Ich werde alle meine Freunde damit einladen“, konterte diese, ohne die Miene zu verziehen.
Böse blitzte er sie an. Er konnte es nicht leiden, wenn die Leute ihn mit einem Kommentar übertrumpften. „Bis bald, Jilly“, säuselte er dann und winkte zu Jillian hinüber, ehe er zur Tür hinausging.
Erleichtert ließ sich Jillian auf einen Stuhl fallen, Tränen standen ihr in den Augen.
„Oh, Jill“, stöhnte Sandra, beugte sich zu ihr hinunter und nahm sie in die Arme. „Er verschwindet wieder. Irgendwann muss er schließlich wieder verschwinden. Bitte weine nicht!“
Jillian brach in Tränen aus. Eigentlich kannte sie ihre Kollegin kaum, aber ihre Umarmung tat gut.
„Alles wird gut“, flüsterte ihr Sandra ins Ohr. „Ich kann dich gut verstehen. Ich habe mal mit einem Kerl namens Carl zusammengewohnt, der mich jedes Mal, wenn er betrunken war, verprügelt hat. Ich habe ihn geliebt, aber glücklicherweise bin ich irgendwann endlich aufgewacht.“
Sandra tätschelte Jillian besänftigend den Rücken, während sie fortfuhr. „Ich bin ausgezogen, aber er hat mich weiterhin bedroht, hat sogar versucht, mein Haus anzuzünden. Aber als er gemerkt hat, dass ich es ernst meine, hat er schließlich aufgegeben und sich eine Neue gesucht.“
Jillian setzte sich auf und sah Sandra aus tränenverschmierten Augen an. „Bei mir war es anders. Ich war fünfzehn, und er hat versucht …“
„Fünfzehn!?“
Jillian biss sich auf die Unterlippe. „Er war bei meinem Onkel als Arbeiter angestellt.“
„Großer Gott! Du hättest ihn verhaften lassen sollen!“
„Hab ich ja“, erwiderte Jillian mit kläglicher Stimme. „Aber er wurde vorzeitig aus der Haft entlassen, und jetzt macht er mir das Leben zur Hölle.“
„Du armes Ding! Du musst das unbedingt Polizeichef Graves erzählen. Der wird sich drum kümmern.“
„Man kann nicht einfach jemanden ohne triftigen Grund aus der Stadt verbannen. Er hat mich nicht bedroht oder mir sonst irgendetwas angetan. Er kommt nur ständig hierher, aber das ist schließlich das einzige Restaurant in der Stadt.“
„Ja, aber er hat einige üble Beschuldigungen vom Stapel gelassen“, erinnerte Sandra sie.
„Das sind aber alles nur Worte.“
„Die können genauso wehtun wie Fäuste. Lass dir das von mir gesagt sein. Mein Vater hat mir ständig verklickert, wie hässlich und blöd ich bin.“
Erschrocken riss Jillian den Mund auf. Niemand in ihrer Familie hätte jemals so etwas zu ihr gesagt.
„Du hattest wohl nettere Leute um dich herum, was? Bei mir war es schlimm. Mein Vater hasst mich, weil ich nicht seine leibliche Tochter bin. Meine Mutter hatte eine Affäre, und mein Vater ist nie darüber hinweggekommen, dass ich die Tochter eines anderen bin. Meine Mutter starb kurz nach meiner Geburt, und er lässt seither seine Wut an mir aus.“
„Das tut mir leid.“
„Du bist nett“, sagte Sandra leise. „Wenn der Typ dir hier drin irgendwelche Schwierigkeiten macht, bekommt er es mit mir zu tun.“
Jillian lächelte. „Das glaub ich dir gern. Ich hab gesehen, wie du mit Gästen fertig wirst, die sich danebenbenehmen. Du kannst das gut.“
„Das sollte ich auch können. Bis vor zwei Jahren war ich bei der Militärpolizei.“
Jillian lachte. „Du bist meine Heldin!“
Auch Sandra musste lachen. „Na dann stell mal die Kuchen in die Vitrine und geh heim. Ich kümmere mich um unseren Spezialgast, wenn du weg bist.“
„Danke für alles, Sandra.“
„Ich habe mir schon immer eine jüngere Schwester gewünscht und jetzt habe ich eine. Wir erzählen den Leuten, du seist meine Schwester, dann haben wir was zu lachen.“ Sandra gab ihr einen freundschaftlichen Schubs in Richtung Tür. „Und jetzt verschwinde, der Chef guckt schon ganz böse, weil ich mit dir ratsche, statt zu arbeiten.“
„Das wollen wir lieber nicht!“ Jillian lachte und verließ das Lokal.
Jetzt, wo sie sogar eine Verbündete bei der Arbeit hatte, fühlte sie sich eindeutig besser. Trotzdem machte sie sich Sorgen. Harris war offensichtlich gekommen, um sich an ihr zu rächen. Und sie selbst begann, immer mehr an ihrer Version der Geschichte zu zweifeln, mit der sie ihn in den Knast befördert hatte.
6. KAPITEL
Nie hätte Jillian gedacht, dass sie mal einem Stalker zum Opfer fallen würde. Genau genommen, war sie sich nicht mal
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