Collector
Anscheinend benötigte man für diese zwei Etagen eine Berechtigung, die sie nicht besaßen.
Zischend öffneten sich die Türen. Davor erstreckte sich ein dunkler Korridor.
»Was nun?« Ralda wirkte nervös. Sie sah auf ihre Uhr. »Vier Stunden sind wir hier drin unterwegs. Ich finde es merkwürdig, dass wir nicht aufgehalten wurden. Der Collector müsste die zerstörte Scheibe schon lange bemerkt haben.«
Diesen Gedanken hatte Theresa bereits gehabt, seit sie in den Komplex eingestiegen waren. Es gab mit Sicherheit eine Steuerzentrale, die alles überwachte. »Der Herr ist mit uns, Deaconess. Die Ahumanen sind bestimmt zu sehr mit dem Aufbau und der Kontrolle des Planeten beschäftigt«, gab sie zurück.
Ein leises Scharren erklang.
War da was? Theresa hob den linken Arm und richtete die Mündung der Automatik in die Finsternis. »Pscht«, machte sie zu Ralda, während sie mit der anderen Pistole den Knopf abwärts drückte.
Der Lift rührte sich nicht. Die Türen blieben offen.
Ralda zog die Abzüge leicht nach hinten und hob beide Läufe, die darunter montierten Mini-Lampen leuchteten auf. Stechend dünne, blaue Lichtkegel erfassten eine Männergestalt in einem zerschlissenen grauen Mantel und grauen Haaren. Er sprang um die Ecke und verschwand.
Theresa glaubte, einen flüchtigen Eindruck von seinem Gesicht erhascht zu haben. Nein, das kann nicht sein ...
»Was war das?« Ralda leuchtete umher, doch niemand zeigte sich sonst. »War das ein Mensch?«
»Vermutlich jemand, der sich hier umschauen möchte. Wie wir.« Sie wollte noch etwas sagen, da wurden sie von grellem Scheinwerferlicht erfasst: Der Collector in der Rüstung mit dem roten Kreuz war von der anderen Seite in den Gang getreten. Ein lautes, elektronisches Brummen erklang.
»Ins Visier!« Theresa schoss beidhändig, Ralda löste ihre Waffen ebenfalls aus. »Raus und den Korridor runter«, schrie sie durch das Krachen der Treibladungen. Sie wusste, dass der Ahumane durch die Projektile bestenfalls irritiert wurde; gegen die Panzerung würden sie nichts ausrichten.
Die Frauen hetzten feuernd an dem Collector vorbei, in den dunklen Gang hinein.
Der Lichtkegel folgte ihnen, zuckte an den Wänden entlang und holte sie ein, dann rumpelte es rhythmisch hinter ihnen. Sie wussten, was die Geräusche bedeuteten: Sie wurden verfolgt!
Theresa überlegte fieberhaft, wie sie entkommen konnten. Ein Sprung aus dem fünfzehnten Stock bedeutete einen Fall aus etwa dreißig Metern Höhe. Unmöglich. Treppen hatte sie keine bemerkt.
Ralda blickte über die Schulter. »Er holt auf«, keuchte sie. »Ich halte ihn auf, und Sie ...«
»Er wird sich von dir nicht aufhalten lassen«, lehnte sie den Vorschlag ab, bevor er in Gänze ausgesprochen war. Sie luden nach, klappernd fielen die leeren Magazine auf den Boden. Die letzten Munitionsstreifen wanderten in die dicken Griffschächte. »Wir bleiben zusammen, bis ich etwas anderes sage.«
Als sie an einer Fahrstuhltür vorüberkamen, blieb Theresa stehen und zerschoss kurzerhand den Eingang. »Aber es ist keine Kabine ...«
»Die brauchen wir nicht.« Theresa verstaute die Pistolen und sprang in den leeren Schacht. »Komm!« Ihre behandschuhten Finger schlossen sich um das Stahlseil. Sie rutschte daran nach unten und erreichte rasch das Erdgeschoss; die Deaconess folgte ihr zwei Herzschläge später. Die Grundausbildung der Church verlieh ihren Anhängern viele Fertigkeiten, wobei Schießen und Klettern nur zwei davon waren.
Gemeinsam stemmten sie die Tür auf, Ralda ging vor.
Theresa sah nochmals hinauf. Der Scheinwerferstrahl stand zitternd waagerecht in der Luft, dann senkte er sich ruckartig nach unten, huschte an der Wand entlang. Aber mehr als ihnen hinterherschauen konnte der Collector nicht.
Schöpfer, ich danke dir! Der Schacht ist sein Rotes Meer, jubelte sie innerlich und spürte jetzt erst die Schmerzen in den Handflächen. Trotz der Handschuhe hatte sie sich die Haut aufgerissen. »Der Herr ist mit den Seinen!«, rief sie überschwänglich hinauf und eilte Ralda hinterher.
Die junge Frau winkte aus einem Krankenzimmer. »Hierher, Bishopness! Ich habe einen Ausgang entdeckt.«
Theresa betrat den Raum und strahlte. Herr, deine Güte ist wundervoll!
Das Modul lag auf der stadtzugewandten Seite und war noch nicht fertig errichtet. Eine Wand, an die das nächste Zimmer angesetzt werden sollte, fehlte vollständig.
Unser Ausgang. Das nächste Ziel hatte Theresa klar vor Augen: der Raumhafen. Aber
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