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Collector’s Pack

Collector’s Pack

Titel: Collector’s Pack Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Giordano
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Ende der Serpentinenstraße auf eine Provinzstraße einbog.
    »Santiago de Compostela. Ist nicht weit.«
    Peter sah dem ehemaligen Kommandanten der Schweizergarde an, dass ihm der Anblick der getöteten Mönche noch immer zusetzte.
    Und du? Warum bist du noch so ruhig?
    Das Einzige, was ihn seltsamerweise beunruhigte, war der achteckige Grundriss der Klosterkirche. Schon wieder ein Achteck. Die ganze Fahrt über versuchte er, sich zu erinnern, wo er das Achteck schon einmal gesehen hatte.
    Im Pantheon. Und sonst?
    Seine Erinnerung war ein dunkler Sumpf, in dem man versinken konnte, aber nie den Grund erreichte. Je mehr er über das Octagon nachgrübelte, desto deutlicher schien ihm immerhin, dass es mit den brennenden Menschen im Kölner Dom zusammenhängen musste.
    Was ist davor in Köln passiert?
    »Leonie hat Albträume«, sagte Bühler unvermittelt, als sie auf die Autobahn fuhren. Mit militärischer Knappheit berichtete er von Leonies Zeichnungen, von Yoko Tanakas Angebot, von der Schießerei in Rom, der Fahrt mit Nikolas nach Köln und einer gekreuzigten alten Frau in Nikolas’ Apartment. Seine Stimme wirkte ruhig und unaufgeregt, und Peter verstand, dass dieser Mann nichts mehr zu verlieren hatte.
    Was sonst in Köln passiert war, wer die gekreuzigte Frau in Nikolas’ Apartment war, wusste Bühler jedoch nicht.
    »Ich habe mich umgehend auf den Weg nach Santiago de Compostela gemacht.«
    »Woher wussten Sie, wo Sie Kelly suchen müssen?«
    »Machen Sie das Handschuhfach auf und schauen Sie sich die beiden Bilder von meiner Schwester an.«
    Die erste von Leonies Zeichnungen zeigte eine brennende Kirche mit einer Jakobsmuschel als Eingang. Daneben standen zwei Gestalten und etwas entfernt eine dritte mit einem Löwenkopf.
    »Das da sind Sie. Oder Nikolas«, erklärte Bühler. »Der andere bin ich. Den dritten brauche ich wohl kaum zu erklären.«
    Die zweite Zeichnung zeigte erneut den Löwenmann. Er stand in einem verzerrten Achteck mit einem Petruskreuz in der Mitte. Um das Achteck herum lagen kleinere schwarze Gestalten, krakelig mit rotem Buntstift ummalt. Es waren dreiundzwanzig.
    »Ich Idiot habe zwei Tage gebraucht, bis ich verstanden hatte, dass sie damit diese Kirche meint. Ihr Bruder war leider auch keine große Hilfe.«
    »Felipe Galán ist auf dem Bild nicht zu sehen«, bemerkte Peter.
    »Wie würden Sie das deuten?«
    »Er versteckt sich«, sagte Peter spontan, und Bühler nickte verbissen.
    Santiago de Compostela kam in Sicht. In der Ferne sah Peter die Türme der Kathedrale, die sich von einem Sonnenstrahl beleuchtet auf einem Hügel herrisch über die alte Pilgerstadt erhoben. Der Anblick, der jedem Pilger des Jakobswegs seit Jahrhunderten das Herz aufgehen ließ.
    »Sie steht noch«, sagte Peter. »Vielleicht ist es noch nicht zu spät.«
    »Ich bin nur hier, um den Löwenmann zu töten«, murmelte Bühler.
    »Da wären wir ja schon zwei.«
    Bühler sah kurz zu ihm herüber. Kein Lächeln, kein Nicken. Dennoch spürte Peter die Erleichterung des Schweizers, es nicht alleine tun zu müssen.
    Bühler schien über etwas nachzudenken.
    »Was beschäftigt Sie?«, hakte Peter nach.
    »Ich frage mich, was er noch zu Ihnen gesagt hat.«
    »Wer?«
    »Galán. Er lebte noch, als wir ihn fanden, falls man seinen Zustand überhaupt noch ›leben’ nennen konnte. Er war tot und doch nicht tot. Seine Stimme klang, als ob ein Wesen aus ihm spreche, das seinen sterbenden Körper beherrschte und ihn nur so lange am Leben erhielt, bis er Ihnen diese Botschaft überbracht hatte. Was auch immer ES war, ES hat zu Ihnen gesprochen. Also zu Nikolas. In dieser verfluchten Sprache. Danach starb Galán endlich.«
    »Tut mir leid, ich … weiß es nicht.« Peter war verwirrt und alarmiert zugleich. »Klang es wie eine Drohung?«
    Bühler zuckte mit den Achseln. »Jedenfalls hatte ich den Eindruck, dass die Botschaft Nikolas zutiefst erschütterte. Und dann lief auch schon diese Verwandlung bei Ihnen ab.«
    »Sie meinen, es hat sie ausgelöst?«
    Bühler zuckte mit den Schultern. Unruhig dachte Peter an Maria. Denn was auch immer der sterbende Mönch zu Nikolas gesagt haben mochte – es konnte nur eine Botschaft von Seth gewesen sein. Eine Botschaft, die den erneuten Persönlichkeitswechsel ausgelöst hatte. Eine Botschaft, die, wie Peter plötzlich klar wurde, Maria tausendachthundert Kilometer östlich womöglich gerade in tödliche Gefahr brachte.

XXXIV
    10. Juli 2011, Subiaco, Abbazia di Santa Scolastica
    O bwohl

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