Collector’s Pack
Bühler Peter zu. Peter verlor keine Zeit. Mit einem Fußtritt kippte er das schwere Weihrauchgefäß um. Die Mönche schrien empört auf, wagten aber nicht einzuschreiten. Auch nicht, als Peter die Unterseite des runden Standfußes untersuchte.
Er hatte sich nicht getäuscht. Auch die Mönche schienen das Muster noch nie wahrgenommen zu haben. Der Alte mit dem Fischergesicht beugte sich neugierig vor und sah Peter dann fragend an.
»Ihr Handy, Bühler!« rief Peter. »Schnell!«
Mit dem Handy des Schweizers machte er von allen Seiten ein paar Fotos des eingravierten Musters. Dann wandte er sich an die Mönche.
»Wie alt ist der Botafumeiro ?«, fragte er auf Englisch.
»Er ist fast neu«, antwortete der Alte in fehlerfreiem Englisch. »Hören Sie, Sie können ihn nicht mitnehmen. Er ist viel zu heiß und auch zu schwer für Sie beide. Was wollen Sie überhaupt damit?«
Peter schüttelte verwirrt den Kopf. »Neu?«
»Ja. Wegen der Hitze halten sie nie länger als vielleicht hundert Jahre. Aber sie werden seit über achthundert Jahren immer noch nach der gleichen Vorlage hergestellt. Warum interessiert Sie das so?«
Der Alte machte einen Schritt auf Peter zu, doch Bühler drängte ihn mit der Waffe sofort wieder zurück.
»Wo?«, rief Peter. »Wo wird er hergestellt?«
»Im Kloster María de la Real bei Pontevedra.«
Peter richtete sich auf und wandte sich an Bühler.
»Wir sind hier falsch«, sagte er auf Deutsch.
»Da oben ist jetzt alles voller Polizei. Wenn wir da aufkreuzen, können wir auch gleich zur nächsten Wache gehen und behaupten, wir hätten die Mönche ermordet.« Sie hatten den Mietwagen erreicht, und Bühler sah alles andere als glücklich aus über die Entdeckung, die sie gerade gemacht hatten. »Zumal wir eben vier Mönchen in einem Innenhof der Kathedrale gefesselt haben.«
»Wir haben keine andere Wahl!«, erwiderte Peter kühl. »Sie können ja hierbleiben. Geben Sie mir den Wagenschlüssel.«
Bühler bedachte Peter mit einem düsteren Blick und setzte sich ans Steuer. »Zeigen Sie mir die Fotos.«
Peter reichte ihm das Handy mit den Aufnahmen, die er von dem Muster auf der Unterseite des Botafumeiro gemacht hatte.
Zu sehen war ein achteckiges Labyrinth mit sechs Symbolen und drei henochischen Schriftzeichen. Und in dieser Schrift stand unter dem achteckigen Labyrinth auch noch ein fünfzeiliger Text. Ein Text, den Peter Wort für Wort verstand. Überhaupt begann er allmählich zu verstehen.
Dass er der Schlüssel war.
Dass alles mit ihm zusammenhing. Irgendwie.
»Was ist das?«, fragte Bühler.
»Ich habe so ein achteckiges Labyrinth schon einmal gesehen. Nur ohne diese Symbole und Schriftzeichen. Es liegt als Fußbodenmosaik in der Kathedrale von Chartres. Also am Anfang des Jakobsweges. Und an seinem Ende taucht es erneut auf, bloß so gut wie versteckt. Warum?«
Bühler atmete durch. »Weil die Reise hier noch nicht zu Ende ist.«
»Ganz genau! Schauen Sie, solche Labyrinthe waren seit der Antike sehr in Mode. Im christlichen Mittelalter wurden sie wie Mantras benutzt, um die ewige Suche nach Gott und die Gefahr der Verirrung zu verinnerlichen. Das Labyrinth fordert den Gläubigen heraus, den richtigen Weg nicht aus den Augen zu verlieren. Und der liegt genau in der Pendelrichtung des Botafumeiro . Es heißt immer, die Templer hätten ihre Geheimnisse raffiniert versteckt. Tatsächlich sind die Hinweise so offensichtlich, dass man sie gar nicht beachtet. Der Botafumeiro weist uns den Weg zurück zu seinem Ursprungsort, dem Kloster María de la Real.«
Bühler startete den Wagen und fädelte sich in den Verkehr ein. »Das heißt, wir werden da oben entweder von der Guardia Civil oder von Kelly erwartet.«
Oder von jemand anderem.
Bühler fasste Peters Schweigen offenbar als Bestätigung auf und deutete beim Fahren auf die fünf Symbole in der Mitte der Achtecke. »Was bedeuten die?«
»Ich vermute, es sind die Zeichen auf den Amuletten. Drei erkenne ich jedenfalls wieder. Und diese …«, er tippte auf das Zeichen links oben, das aussah wie ein stilisierter, vierarmiger Kerzenleuchter, »… hab ich auch schon mal irgendwo gesehen.«
Du weißt auch, wo. Du erinnerst dich bloß nicht daran. Aber du warst dort.
»Und das Symbol da ganz oben?«, fragte Bühler.
Peter wunderte sich selbst, dass er sich noch an das Symbol erinnerte. Maria hatte es ihm erklärt, als sie versucht hatten, die alchemistische Formel für rotes Quecksilber zu entschlüsseln. Es kam auch
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