Collector’s Pack
Kaplan. Sie haben vorhin noch von einem … Ding gesprochen.«
»Ich möchte nicht darüber reden, Laurenz. Bitte. Sie werden es bald mit eigenen Augen sehen. Meine Leute haben alles auf Video aufgezeichnet.«
»Kaplan! Bitte! Als Freund möchte ich es von Ihnen hören.«
»Da lag etwas auf dem Bett im Schlafzimmer der Suite. Nein, nicht etwas, sondern jemand. Oder vielleicht doch eher etwas.«
»Was war es?«
»Hören Sie …«
»WAS?«
»Gut. Also. Eine mumifizierte Leiche. Weiblich. Nackt. Offenbar sehr alt, denn sie war teilweise stark zersetzt. An manchen Stellen wie angefressen. Aber man konnte noch … ihre Brüste sehen. Und auch, dass sie am ganzen Körper tätowiert war. Mit Zeichen, die ich noch nie zuvor gesehen habe. Und sie hatte … sie hatte den Kopf eines Löwen.«
»Mein Gott …«
»Das war noch nicht alles. Jemand hatte etwas mit Blut an die Wand hinter dem Bett geschmiert. Einen Namen …«
»Welchen Namen, Kaplan?«
»Um Gottes willen, bitte ersparen Sie mir das, Laurenz. Ich habe ihnen das Video bereits geschickt, dann sehen Sie es ja selbst.«
»Welchen Namen?«
»… den Namen Ihrer Tochter Maria.«
XLII
11. Juli 2011, flight level 360 über Baku, Aserbaidschan
D er Airbus 319LR mit dem Logo von Nakashima Industries vibrierte nur ganz leise, als die Maschine ihre Höhe veränderte und aus dem Strahlwindband eines tropischen Jetstreams auftauchte, der sich in zehntausend Metern Höhe von der tibetischen Hochebene bis nach Afrika wand und mit über dreihundert Kilometern pro Stunde von Ost nach West raste. Ein Gegenwind, der selbst dem leistungsfähigsten Verkehrsflugzeug zusetzte. Um schneller fliegen zu können, ließ der Pilot die Maschine daher auf elftausend Kilometer steigen. Von alledem bekamen die acht Passagiere des Flugzeugs, abgesehen von ein paar Vibrationen, nichts mit. Sie hatten auch genug andere Probleme.
Nakashima saß Peter im Konferenzbereich des Jets gegenüber und aß gedämpfte Teigbällchen, die der Koch an Bord frisch zubreitet hatte. Etwas abseits saß auch Bühler mit am Tisch. Nur Peter war nicht nach Essen zumute.
Du wirst sie nicht retten können.
Plötzlich diese Gewissheit.
»Essen Sie, Mr. Adam!«, forderte Nakashima ihn auf. »Sie müssen essen. Sie müssen.«
»Sie sind Seth«, sagte Peter. »Warum hören wir nicht einfach mit diesem Versteckspiel auf?«
»Ich bin nicht Seth«, erklärte Nakashima ruhig. »Wie ich schon sagte, ich bin nicht Ihr Feind.«
Lustlos nahm Peter ein Teigbällchen mit den bereitliegenden Stäbchen auf und steckte es sich in den Mund. Es schmeckte gut, nach zimtig gewürztem, süßem Schweinefleisch. Peter merkte plötzlich, wie hungrig er war, und auch, wie der Appetit zurückkehrte.
Der luxuriös ausgestattete und für Langstreckenflüge optimierte A319 hatte am Flughafen von Santiago de Compostela aufgetankt bereitgestanden. Peter hatte nicht weiter gezögert, Nakashimas Angebot anzunehmen. Das Video auf dem Handy nahm ihm jede Entscheidung ab.
Das Video.
Er sah es immer wieder vor sich. Drei Minuten. Drei grauenhafte Minuten. Dann wieder von vorn. Immer wieder.
Nach dem Essen kehrten sie zurück in den hinteren Teil des Airbus, wo die Kommunikationszentrale untergebracht war. Drei Techniker arbeiteten mit Hochdruck an der Analyse des Videos und des Handys, das ein Unbekannter in Santiago für Nakashima im Hostal de los Reyes Católicos abgegeben hatte. Behauptet er.
Peter wusste nicht mehr, wie viele Male er den Film in den letzten Stunden angesehen hatte. Und auch wenn er bei jedem weiteren Mal versuchte, sich auf Details am Rande zu konzentrieren, die irgendeinen Hinweis auf den Ursprung des Videos liefern mochten, auf den Ort, an dem es aufgenommen worden war, oder die Leute, die es aufgenommen hatten – er sah immer wieder nur Marias Gesicht.
In schlechter Beleuchtung sah man sie auf einem Stuhl in einer Lagerhalle sitzen, die Hände hinter der Rückenlehne verschränkt. Es war nicht zu erkennen, ob sie gefesselt war. Während ihrer kurzen Ansprache starrte sie die ganze Zeit auf einen Punkt hinter der Kamera. Möglicherweise den Text der Botschaft. Oder ihre beiden Entführer, deren Schatten undeutlich zu Marias Füßen zu sehen waren. Marias Gesicht trug Spuren von Schlägen. Sie sprach langsam, mit fester Stimme.
»Mein Name ist Maria Eichner. Ich befinde mich in der Gewalt der Träger des Lichts. Dies ist eine Nachricht für Peter Adam.« Sie machte eine kleine Pause und verzog kurz das
Weitere Kostenlose Bücher