Collector’s Pack
gesaugt und liebkost hatte, hoben und senkten sich im Rhythmus ihres Atems. Ruhig und fest und stolz wie zwei Burgen an einem gefahrvollen Tal, in dem sich nun Schweißtropfen sammelten. Als John Dee seine Hand ausstreckte, um sie erneut zu berühren, schob Ioona ihn sanft beiseite. Ioona. Kellys Frau.
John Dee empfand weder Scham noch Schuld, nachdem er mit der Frau seines magischen Assistenten geschlafen hatte. Kelly selbst hatte ihn schließlich zu diesem Frauentausch überredet, und Ioona hatte überraschend schnell eingewilligt. Catherine hatte sich mit Widerwillen gefügt. Aber vielleicht war es ihr mit Kelly ebenso gegangen wie ihm mit Ioona. Trotz seines vierschrötigen keltischen Äußeren, das hatte selbst Dee bemerkt, übte Kelly eine gewisse Anziehung auf Frauen aus. Seltsamerweise empfand Dee keinerlei Eifersucht, dass seine Frau gerade in Kellys Armen lag. Der Grund dafür war einfach. Von dem Augenblick an, als Edward Kelly ihm in London seine junge orientalische Frau Ioona vorgestellt hatte, hatte er mit ihr schlafen wollen. Sich nach ihr verzehrt, von ihr geträumt und sie sich vorgestellt, wenn er mit Catherine schlief. Nun, da sich dieses zum Schluss schmerzhafte Sehnen – auf Kellys hartnäckig vorgetragenen Vorschlag hin – endlich erfüllt hatte, fühlte er sich erschöpft, aber jung. Und wollte mehr. Immer mehr. Scheiß auf die Engel und das System .
»Du hörst mir nicht zu, John.«
John Dee stöhnte. »Ich weiß, dass er mich betrügt. Er ist ein Blutsauger und Dieb. Er kostet mich fünfzig Pfund im Jahr. Aber ohne ihn wäre ich nie so weit gekommen.«
»Er spricht mit den Dämonen der Hölle. Er macht mir Angst.«
»Ich werde ihn morgen zur Rede stellen.«
John Dee rollte sich an Ioona heran und spürte, wie er wieder steif wurde, was längst keine Selbstverständlichkeit mehr war mit siebenundfünfzig Jahren.
»Wenn es dann nicht schon zu spät ist«, sagte Ioona.
John Dee richtete sich ein wenig auf, um ihr ins Gesicht sehen zu können, und erkannte bestürzt die Angst darin. Augenblicklich flaute seine Erregung ab.
»Was meinst du damit?«
»Er hat sich verändert, seit wir London verlassen haben. Ich kann es in seinen Augen sehen. Er ist … bižužo.«
»Was bedeutet das?«
»Es bedeutet unrein in meiner Sprache. Es bedeutet, dass ein böser Geist von Edward Besitz ergriffen hat.« Und als Dee zu einem beschwichtigenden Einwand ansetzen wollte, fügte sie bestimmt hinzu: »Ich wollte erst mit dir sprechen, wenn ihr eure Arbeit beendet habt.«
Die Arbeit. Das System . Das verfluchte System.
Das System war kompliziert. Aber niemand hatte gesagt, dass es leicht werden würde. Und niemand hätte gedacht, dass er so weit kommen würde. Elisabeth nicht und auch nicht der Mob, der sein Haus in London nach seiner Abreise verwüstet hatte, weil die Leute ihn für einen Teufelsanbeter hielten.
Nun war es geschafft.
Und wofür das alles?
John Dee hatte keine blasse Ahnung. Zusammen mit Kelly hatte er die letzten vier Jahre damit verbracht, mit Wesen einer anderen Sphäre in Kontakt zu treten. Jetzt, da diese Wesen ihnen das ganze System übermittelt hatten, wusste Dee nicht, was er damit anfangen sollte. Er besaß die größte Bibliothek seiner Zeit. Er war ein Wissenschaftler von Weltruf. Hofastrologe der Königin. Mathematiker, Astronom, Alchemist, Geograph, Berater der britischen Marine. Als er 1550 in Paris seine erste Vorlesung über Euklid gehalten hatte, hatten die Menschen in Trauben vor den Fenstern des Hörsaals gestanden und ihm gebannt zugehört. Dee wusste, dass er ein Genie war. Umso mehr verzweifelte er daran, das System nicht zu verstehen.
Das ganze System basierte auf der Magie der siebenfältigen mystischen Herrschaften, die allein schon aus zahlreichen magischen Operationen bestand und zu den Namen der neunundvierzig guten Engel führte, die in einer Hierarchie aus Königen, Prinzen und Ministern und ihren jeweiligen Planeten geordnet waren. Die Namen in der Sprache der Engel standen in einem kreisförmigen Diagramm, der Tabula Angelorum Bonorum . John Dee kannte all ihre Namen und ihre Siegel. In Hunderten von Sitzungen hatten die Engel ihm und Kelly alles genau diktiert. Man benötigte magische Werkzeuge. Salomons Ring, um die Dämonen zu kontrollieren. Zwei Lamen aus Gold, Tafeln mit den Zeichen der Engel, die auf der Brust getragen werden mussten, zum Schutz und zum Zeichen, dass der Magier würdig war. Die Tafeln mit den zwölf mal sieben Feldern
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