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Collector’s Pack

Collector’s Pack

Titel: Collector’s Pack Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Giordano
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das Amulett das Böse in ihr ein und Zuversicht wieder aus. Das blaue Mineral fühlte sich glatt und warm an. Wenn sie über das Medaillon strich, konnte sie aber auch die feinen Kratzer und Riefen unter ihren Fingerspitzen spüren, die sein Alter verrieten und all die Hände, die es über Jahrtausende berührt hatten. Mit jeder Perle trug das Amulett sie weiter zurück in der Zeit, ließ Gesichter und ferne Orte vor ihr auftauchen und wieder verdunsten wie in einem letzten Traum kurz vor dem Erwachen. Manchmal raunten ihr die Gesichter unverständliche Dinge zu. Manchmal hörte sie kurze Schreie der Agonie und dann wieder heiser geflüsterte, beschwörende Worte. Seit ihrer letzten Vision vor vielen Wochen hatte das Amulett nicht mehr zu ihr gesprochen. Nun kam es ihr vor, als erwache das Amulett aus einem langen Schlaf und bereite sich auf seine letzte Aufgabe vor. Und sie erwachte mit ihm. Während des ganzen langen Fluges von Kathmandu bis Halifax hatte sie es geträumt. Sie hatte von Peters Tod geträumt, und dennoch spürte sie ihn näher bei sich als zuvor. Wenn sie das Amulett locker in ihren Schoß legte, konnte sie ihn wieder in sich spüren, ganz nah und doch unendlich fern. Er wartete auf sie am Ende der Zeit.
    »Ich bin auf dem Weg zu dir«, flüsterte Maria leise.
    »Entschuldigen Sie, haben Sie was gesagt, Meister?«, knarzte die Stimme des Piloten im Headset.
    Maria schüttelte den Kopf. »Nein. Konzentrieren Sie sich.«
    Der kleine Hubschrauber, der sie von Halifax zur Insel brachte, kämpfte sich durch den rauen, böigen Wind vor, der von der See her landeinwärts blies. Immer wieder wurde die Kabine von heftigen Turbulenzen erschüttert. Wenn Maria sich nach links zu dem Piloten wandte, konnte sie sehen, wie viel Mühe es ihn kostete, sein Fluggerät auf Kurs zu halten. Sie selbst empfand weder Unruhe noch Angst. Auch nicht, als die Erdnussform der Insel in Sicht kam, die durch einen schmalen Damm mit dem Festland verbunden war. Ein kleines Sumpfgebiet teilte die Insel in zwei Hälften. Statt des ursprünglichen Eichenwaldes bedeckten nun Kiefern Oak Island. Ein paar verstreute kleine Häuser waren zu sehen, Fahrspuren im Sand, und vor allem der freigerodete Platz an der Ostseite rund um das Loch. Menschen sah sie keine.
    Maria trug wieder ein Ordensgewand, diesmal ein weißes. Auf der Vorderseite prangte als goldene Stickerei das doppelte Kreissymbol, das Zeichen des Lichts. Kelly hatte ihr das Habit in Kathmandu überreicht, bevor er sie zum Flugzeug brachte. Alles war schweigend abgelaufen. Die wenigen Ordensmitglieder, denen sie während der ganzen Zeit begegnete, behandelten sie mit demütiger Ehrfurcht, verbeugten sich vor ihr und wagten erst, sie anzusprechen, wenn Maria das Wort an sie richtete. Maria wusste genau, warum. ER war immer noch in ihr. Sie konnte seine Präsenz spüren, auch wenn er sich vorerst zurückgezogen hatte wie ein Vater, der seine Tochter zu ihrer ersten Verabredung gehen lässt und sie dennoch heimlich beobachtet, um jederzeit eingreifen zu können. Maria wusste, dass die Leine kurz war, sehr kurz. Seth war ein strenger Vater. Und nervös, seit der Löwenmann gestorben war. Während der vergangenen Stunden im Flugzeug hatte sie spüren können, wie er immer wieder zu ihr zurückkehrte und wie ein Fieber von ihr Besitz ergriff. Sie durfte keinen Fehler machen. Sie hatte aber auch nicht vor, einen Fehler zu machen. Sie wusste, dass Seths Zeit ablief. Wenn sie erst die Truhe hatte, würde sie ihn aus sich austreiben wie einen eitrigen Infekt. Danach würde sie herrschen.
    Der Helikopter landete auf einem freien Platz am Ufer. Drei rotgesichtige junge Männer in schmutziger Arbeitskleidung, mit starken Muskeln und müden Augen, begrüßten sie steif. Sie verbeugten sich, wagten aber nicht, das Wort an sie zu richten, und führten sie direkt in eine rot gestrichene Holzhütte. An der Tür hing ein Firmenschild der »Light Bearer Ventures« mit dem doppelten Kreissymbol. In der Hütte wurde Maria von einem älteren Mann mit harten grauen Augen erwartet. Er trug einen blauen Arbeitsoverall, roch nach billigem Aftershave und hatte einen schuppigen, rötlichen Hautausschlag auf den Wangen. Als er zur Verbeugung die Hände vor der Brust faltete, sah Maria, dass ihm sämtliche Finger fehlten.
    »Im Lichte mit Euch, Meister! Ich bin Beau Cresswell, also, der leitende Ingenieur.«
    »Das Licht sei mit dir«, erwiderte Maria. »Wo hast du deine Finger verloren?«
    »In der Grube«,

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