Collector’s Pack
erwiderte Cresswell achselzuckend, als erkläre sich das von selbst.
»Wann war das?«
»1973.«
Maria sah, dass sich in den grauen Augen des Alten etwas regte. Ein fast erloschenes Leuchten, wie aus großer Tiefe, das sie kurz erschaudern ließ. Der Mann strahlte Bedrohung und zugleich Hoffnung aus.
»Wie lange arbeitest du schon hier?«
»Schon mein ganzes Leben, Meister. Die Grube ist, also, mein Leben.«
»Und was hast du gefunden?«
Cresswell wich Marias Blick aus. »Ich bin nur der, der gräbt, Meister. Finden, also, werdet Ihr.«
Maria hörte, wie der Hubschrauber draußen wieder abhob und sich entfernte. Die vier Männer, die sie in Empfang genommen hatten, drückten sich an der Tür herum. Sie wagten kaum zu atmen vor Furcht und Neugierde. Offenbar war dies ihre erste Begegnung mit Seth, und nun erschien er ihnen auch noch in Gestalt einer jungen Frau. Nur Cresswell schien sich nicht zu wundern. Maria sah sich in der Hütte um, die Cresswell als Büro und auch als Aufenthaltsraum der Grabungsmannschaft diente. Eine kleine Küche mit nachlässig abgespültem Geschirr, ein langer Holztisch in der Mitte des Raumes, in der hinteren Ecke ein Schreibtisch, der von Papieren überquoll, mit einem PC. Es roch nach Männerschweiß, Putzmittel und frisch gebrühtem Kaffee. An der Wand hingen topographische Karten von der Insel, auf denen die einzelnen Grabungen markiert waren. Maria sah sich die Karten genauer an und zählte fast ein Dutzend Grabungsstellen rund um die eigentliche Grube auf der winzigen Insel.
Beau Cresswell räusperte sich. »Wollt Ihr, also, die Grube sehen, Meister?«
»Das hat Zeit. Wie viele Leute sind noch auf der Insel?«
»Nur diese vier Jungs und ich, Meister. Also, die anderen haben die Insel bereits gestern verlassen.«
»Ist an der Grube alles vorbereitet?«
»Ja, Meister. Alles, wie Ihr angeordnet habt. Ich habe die Winde heute Morgen nochmal persönlich überprüft. Also, es ist alles in Ordnung. Der Schacht ist breit genug. Also, für Euch.«
Er zeigte ihr das Gurtzeug, in dem sie sich in das Loch hinablassen konnte. Maria bemerkte, dass er mit seinen Handstümpfen erstaunlich gut greifen konnte.
»Ihr könnt jetzt alle gehen«, sagte Maria zu ihm und den vier Männern an der Tür.
»Soll ich nicht, also, bleiben?«, fragte Cresswell plötzlich nervös. »Also, für alle Fälle? Ich habe, also, mein ganzes Leben hier verbracht, und …«
»Ich sagte, ihr könnt gehen. Das Licht sei mit euch.«
Das letzte Glimmen in seinen Augen erlosch vollends. Cresswell wirkte, als habe man ihm alles weggenommen, was er je besessen hatte. Er und seine Leute wagten keinen Einwand mehr. Sie verbeugten sich und flohen fast aus der Hütte. Cresswell deutete zum Schluss noch auf das Telefon auf dem Schreibtisch.
»Drücken Sie die Null, also, falls Ihr mich braucht. Wir sind drüben, also, die ganze Zeit auf Standby.«
»Danke, Cresswell«, sagte Maria kühl.
In der Tür drehte sich der Alte noch einmal zu ihr um und sah Maria stumm an. Maria fror plötzlich.
»Ist noch was, Mr. Cresswell?«
Cresswell reagierte nicht, sah sie nur weiter an, als habe er sie längst durchschaut, und zog dann leise die Tür hinter sich zu. Maria konnte sehen, wie er mit den anderen vier in einen Pick-up stieg und die Insel über den Damm verließ.
Stille senkte sich hinter ihnen über Oak Island wie eine dumpfe Glocke und schnitt die Insel von der Welt ab. Der böige Wind schlief ein, das Meer beruhigte sich, die Luft wurde dichter, die Zeit kam zum Stillstand. Maria schätzte, dass sie noch mindestens vier Stunden hatte, bevor Petrus II., Laurenz und Nakashima eintrafen. Sie hatten verabredet, dass sie auf die drei warten solle, bevor sie in die Grube stieg. Seth hatte ihr nicht verraten, warum Petrus II. mit ihrem Vater und Nakashima anreiste. Sie vermutete allerdings, dass sich durch den Tod des Löwenmannes eine neue Lage ergeben hatte, die eine Änderung des ursprünglichen Plans erforderte. Möglichweise musste Seth Zugeständnisse machen.
Maria fürchtete sich, ihrem Vater zu begegnen. Sie fühlte sich nackt und beschmutzt durch Seths Präsenz in ihr. Sie spürte, dass Seth irgendetwas plante. Noch brauchte er sie offenbar dazu, das sagte ihr schon die Warnung durch Cresswell. Noch. Sie durfte keinen Fehler machen.
Maria nutzte die Zeit bis zur Ankunft der anderen zu einem kleinen Erkundungsgang. Nicht weit von der Holzhütte entfernt stieß sie auf die Grube. Die Stelle wirkte nicht
Weitere Kostenlose Bücher