Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Collector’s Pack

Collector’s Pack

Titel: Collector’s Pack Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Giordano
Vom Netzwerk:
Altarraum der St.-Anna-Kirche und lauschte der angenehm perlenden Stimme von Bruder Bonifatio, der gerade einen Hymnus sang. Bonifatios sanft an- und abschwellender Tenor träufelte Trost in Anselmos Herz. Aber nicht genug Trost für diesen Tag, an dem ihm der Herr die schwerste Bürde seines Lebens auferlegt und sein Herz mit mehr Zweifeln gefüllt hatte, als ein Mensch ertragen konnte.
    Und Schuld daran trug alleine er selbst.
    Die sanfte Stimme von Bruder Bonifatio im Ohr und im Herzen dachte Bruder Anselmo über sein Leben nach. Über den Moment, als er zum ersten Mal seine Berufung gespürt hatte. An den Tag, an dem er Bonifatio begegnet war und vom Gift der Liebe und des Zweifels gekostet hatte. An all die Katastrophen der letzten Wochen. An das, was vor wenigen Tagen im Kölner Dom passiert war und an alles, was noch passieren würde. Denn die Welt stand in Flammen. Seit der vergangenen Nacht wusste Anselmo, dass die Apokalypse nicht nur eine mahnende Schauergeschichte war, und er flehte seinen Gott lautlos, aber mit aller Inbrunst um Vergebung und Hilfe an.
    »Mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa.«
    Gleich nach der kurzen Hore traf Padre Anselmo sich mit Bruder Bonifatio in der Cafeteria der Vatikanischen Gemäldesammlung auf ein Stück placenta compressa cum thunnus ,eine pótio cítrea und einen pótio cafaeária. Als Pater Anselmo sich an den Tisch setzte, unterbrach Bonifatio ein Computerspiel mit Klötzchengrafik im 80er-Jahre-Stil auf seinem iPad, dass sein Mitbruder nebenbei für ihn programmiert hatte. Ein Ausdruck größter Zuneigung.
    Sie sprachen gedämpft und hastig, um nicht belauscht zu werden, auf Latein, der Amtssprache im Vatikan. Ein Latein, das der Vatikan ständig und akribisch an die Erfordernisse zeitgemäßer Kommunikation anpasste, das die beiden Jesuiten jedoch mit dem noch unverständlicheren Jargon ihres Spezialgebietes anreicherten. Die Touristen in der Cafeteria hätten sich jedoch ohnehin nicht für die beiden nachlässig gekleideten jungen Männer interessiert, denn fast sämtliche Gespräche drehten sich um den mysteriösen nächtlichen Raketenanschlag, bei dem drei Autos zerstört, aber keine Leichen gefunden worden waren.
    Das seltsame Gespräch der beiden Mönche dagegen kreiste um Dinge wie instrumentum computarium , gremiale , interrete , telephonum manuale , subitánea rerum convérsio , occulta evérsio und tromócratae ,was für die beiden ausgesprochen normal war. Denn Anselmo und Bonifatio waren Hacker im Auftrag des Herrn. Die beiden jungen Jesuiten gehörten zu einer kleinen Abteilung gegen Cyberattacken, die Papst Johannes Paul III. ein Jahr zuvor gegründet hatte, nachdem es wiederholt zu Angriffen auf das Computersystem des Vatikan gekommen war. Wegen nachlässig programmierter Webseiten war es Angreifern sogar gelungen, schädliche Maschinencodes über das Suchfeld auf der Webseite des Vatikans einzuschleusen. Der Ex-Papst hatte daraufhin die besten Programmierer der Kirche versammelt und ihnen fast völlig freie Hand gelassen. Sie programmierten zum Teil sogar auf Latein, da die Syntax der Script-Sprache Perl dies möglich machte. Inzwischen galt die Firewall der vatikanischen Server als nahezu undurchdringlich.
    Wie bei Jesuiten üblich, trugen die beiden Mönche keine Ordenskleidung. Im Gegenteil. In ihren nachlässigen Jeans, T-Shirts und Flipflops fielen sie zwischen den Touristen kaum auf. Pater Anselmo trug ein T-Shirt mit dem weltweiten Hacker-Emblem und dem Schriftzug JESUS IS NOT BOGUS. Pater Bonifatio trug ein T-Shirt mit dem gleichen Emblem und dem Aufdruck: THE LORD IS MORE THAN FNORD . Neben dem Aufspüren von Sicherheitslücken im eigenen System durch Exploits gehörte es zu ihren Aufgaben, die immer massiveren Cyberangriffe abzuwehren und, wenn möglich, den Ursprung der Malware zu ermitteln. Die Ergebnisse waren bislang allerdings bescheiden. Die Angreifer nutzten das zwiebelartig verschachtelte TOR-Netzwerk, um ihre Spur zu verwischen. Die Schadsoftware raste dabei im Zickzack über verschiedene anonyme Knoten um die ganze Welt, bis sie schließlich über einen Exit-Node aus dem TOR-Netzwerk heraus- und über ihren Zielserver herfiel. Bislang war Anselmo davon ausgegangen, dass die meisten Cyberattacken aus China, Brasilien und Russland kamen. Doch inzwischen wusste er es besser.
    »Nepal?«, fragte Pater Bonifatio ungläubig nach und trank von seiner Cola. »Das glaub ich nicht! Haben die überhaupt Internet?«
    Anselmo ignorierte den

Weitere Kostenlose Bücher