Collector’s Pack
ist tot. Peter lebt jetzt in Nikolas’ Körper weiter. Wie auch immer das passiert ist.«
Yoko schüttelte heftig den Kopf. »Sie leben beide. Vor einer Woche haben wir Oberst Bühler beauftragt, Peter Adam zu finden. Er hat ihn offenbar in Rom aufgespürt, aber dann haben wir ihre Spur verloren. Es gab eine Schießerei in einer Bar, aber Peters Leiche wurde dort nicht gefunden. Er lebt, Maria. Er ist irgendwo da draußen und braucht deine Hilfe.«
»Falls er noch lebt, dann ist er jetzt Nikolas«, sagte Maria brüsk. »Und Nikolas ist ein Killer.«
Yoko schüttelte wieder den Kopf. »Wie auch immer, ich glaube, dass sie die Apokalypse nur zusammen aufhalten können. Dein Vater ist leider anderer Meinung. Deswegen bin ich zu dir gekommen. Du musst Peter helfen, seinen Bruder zu finden.«
Maria sah, dass Yoko ihr noch etwas verschwieg.
»Warum, Yoko?«
Yoko seufzte. »Ich habe noch etwas anderes gefunden. Eine DNA-Sequenz.«
Maria sah Yoko überrascht an.
»Wir haben vier sehr einfache Symbole in der Tätowierung gefunden, die immer wieder erscheinen.« Yoko reichte Maria über die träumende Waffe hinweg ein Blatt Papier mit den Symbolen.
»Das Buch deines Vaters über Symbole hat mich auf die Idee gebracht«, fuhr Yoko fort. »Das erste Zeichen steht in der mittelalterlichen Symbolik für die vier Elemente. Also dachte ich, dass jedes dieser Zeichen für ein Element steht. Vielleicht für die Bausteine des Lebens, also die vier Nukleinbasen Adenin, Thymin, Guanin und Cytosin, aus denen unsere DNA besteht.«
»Wie bist du darauf gekommen?«
»Ich bin Biologin. In den Handschriften, die dein Vater mitgebracht hat, gibt es einige Pergamente, dicht und winzig beschrieben mit genau diesen Symbolen. Sie bilden Dreiergruppen, sogenannte Codons in der Genetik.«
Yoko gab Maria eine Fotokopie mit dem Ausschnitt eines der Pergamente. Die vier Symbole bildeten Ketten von Dreiergruppen in unterschiedlichen Kombinationen.
»Sie kodieren Aminosäuren. Allerdings konnten wir bislang keinen Hinweis auf die Zuordnung eines Symbols zu einer Nukleinbase finden. Der Rechner musste sämtliche Varianten durchspielen. Gerade eben habe ich das Ergebnis bekommen. Nur eine einzige Variante ergibt so etwas wie Sinn.«
Maria stellte ihren Kaffee weg. »Was ist es?«, fragte sie gespannt.
Yoko atmete durch. »Ein Virus.«
XXV
10. Juli 2011, Vatikanstadt
A uf den Fluren im zweiten Stock des Apostolischen Palastes herrschte bedrückende Stille. Nachdem die Geschäftigkeit in den päpstlichen Büros zum Stillstand gekommen war, verhallte das Echo der schlurfenden Schritte kurialer Beamter über den jahrhundertealten Steinfußboden. Die Stille wurde nur unterbrochen vom Klingeln eines Telefons und dem entfernten Bimmeln einer Glocke, die zur Mittagshore rief. Getreu der Aufforderung Christi » Ihr sollt allezeit beten und darin nicht nachlassen« und der Mahnung » Durch ihn, Jesus, lasst uns Gott allezeit das Lobopfer darbringen« heiligte das Stundengebet immer noch den gesamten Ablauf von Tag und Nacht im Vatikan. Ungeachtet der Gepflogenheiten in multinationalen Konzernen und Regierungen, unterbrach der gesamte kuriale Machtapparat seine weltlichen Tätigkeiten viermal am Tag zum Beten. Ein Anachronismus in einer Welt, die sich angewöhnt hatte, rund um die Uhr ungebremst zu funktionieren, produktiv und online zu sein.
Der vatikanische Tag begann mit den Laudes zwischen sechs und acht Uhr früh. Die Mittags- oder Tageshore wurde um zwölf gehalten, die Vesper gegen sechs Uhr abends. Der Tag endete schließlich mit der Komplet, dem Nachtgebet, und dem obligatorischen Schuldbekenntnis.
confiteor deo omnipotenti
et vobis, fratres,
quia peccavi
nimis cogitatione, verbo, opere et omissione:
mea culpa, mea culpa,
mea maxima culpa.
ideo precor
beatam mariam semper virginem,
omnes sanctos,
et vos, fratres,
orare pro me ad dominum deum nostrum.
Schuld. Es ging immer um Schuld. Die Schuld war eine Last, die der Gläubige ein Leben lang mit sich trug, und nur der Herr allein konnte ihn für kurze Momente von dieser erdrückenden Bürde erlösen. Schuld und Erlösung, Zweifel und Glaube – das waren die Pole, zwischen denen der Motor der Kirche seit zwei Jahrtausenden pulsierte. Wie ein Herz dazu verdammt, auch in einem siechen Körper noch weiterzuschlagen. Ohne Pause. Bis zuletzt. Und dann?
Mit diesen düsteren Gedanken saß Padre Anselmo auf einem unbequemen Plastikstuhl in einer Reihe mit seinen Mitbrüdern im
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