Collector’s Pack
Tatsache.
Ioona erhob sich aus ihrem Sessel und winkte Peter zu sich. »Komm her.«
Peter stand auf und trat vor.
»Noch näher.«
Er trat dicht vor die Alte, die mit ihren Händen die Linien der Tätowierung abtastete, als verberge sich dahinter noch eine weitere furchtbare Nachricht. Eine Stelle an seiner Hüfte schien sie vor allem zu interessieren. Sie fuhr sie immer wieder mit dem Finger ab, was Peter unangenehm war, so in der Nähe seines Geschlechts. Als er an sich hinuntersah, erkannte er in dem verschlungenen Geflecht seiner Tätowierung eine geometrische Form. Ein doppeltes Achteck, wie auf dem Amulett, das die Madonnenfigur um den Hals trug.
Ein Achteck. Die Kartause in Avignon. Die Plattform vor der Anlagestelle von Poveglia. Das Zeichen der Templer.
»Sara-la-Kâli weist dir den Weg zu den Pforten der Hölle«, murmelte die Alte.
»Sie wissen, was die Tätowierung bedeutet?«, fragte Peter.
Ioona nickte, als sei nichts selbstverständlicher. »Natürlich. Ist sie auch auf dem Körper, den du verlassen hast?«
Peter nickte. »Aber was …?«
»Tschschsch!« Sie zischte ihn an und legte streng den Finger auf den Mund. »Ihr seid Zwillinge«, sagte sie nachdenklich. »Ihr tragt die Botschaft der Auserwählten auf dem Leib. Wie Sara-la-Kâli es prophezeit hat.«
»Wer ist Sara-la-Kâli?«
Ioona trat zu der schwarzen Madonnenfigur mit dem Amulett.
»Das ist sie. Die Schwarze Sara. Sie war einst eine indische Göttin. Jetzt ist sie die Schutzheilige aller Zigeuner.«
»Und was …?«
Wieder zischte sie ihn an. »Zeig mir deine Hände.«
Peter gehorchte und hielt ihr seine Handflächen hin, die die Alte nun eingehend studierte. Peter erkannte einen Anflug von Schrecken in ihrem ansonsten unbewegten Gesicht.
»Du hast viele Menschen getötet«, sagte Ioona, als sie die Hände, die nicht seine waren, losließ und ihn auf den Stuhl zurückwinkte. »Deine Hände sind gezeichnet von Hass und Schmerz. Es sind die Hände eines Beng . Eines Teufels. Aber deine Augen sind žužo. «
»Nein!«, rief die junge Frau. »Er ist bižužo !Er hat Nikolas getötet und seinen Körper gestohlen. Er muss sterben!«
»Das ist übrigens Marina«, stellte Ioona ihm nun die junge Frau vor. »Meine jüngste Enkelin. Marina hat mir viel von deinem Bruder erzählt.«
Marina?
»Mir war schnell klar, was er will«, fuhr Ioona fort. »Er war der, den Sara-la-Kâli schon lange erwartet hat.«
Peter hörte kaum hin, starrte nur die schöne junge Frau an.
Marina! Marina Bihari. Nikolas hat verstanden, dass er sie töten musste, als du ihm die Namensliste durchgegeben hast. Warum hat er es nicht getan?
Ein ungeheuerlicher Gedanke trudelte aus dem Dunkel seiner Vermutungen herauf wie eine Luftblase aus einem endlos tiefen Ozean.
»Er hat Sie geliebt, nicht wahr?«, sprach er die junge Frau direkt an. Sie wirkte nicht einmal überrascht von der Frage, nickte.
»So wie ich ihn.«
Für einen Moment herrschte wieder Stille.
»Was ist mit mir passiert?«, brach Peter das Schweigen.
»Ihr habt die Plätze getauscht, du und dein Bruder«, sagte Ioona, als sei dies nicht mehr als ein akrobatisches Kunststück. »Dein Bruder hat sein Leben auf diese Weise gerettet, denn wir hätten ihn mit Sicherheit töten müssen.«
»Was?«, schrie Marina. Sie sprang vom Sofa auf und sprach aufgeregt auf Ioona ein. Die Alte schüttelte heftig den Kopf und drückte Marina zurück aufs Sofa.
»Wenn Nikolas sich auf diese Weise retten wollte, dann hat es ihm nichts genützt«, rief Peter deprimiert dazwischen. »Falls er jetzt wirklich in meinem Körper in Rom steckt, ist er tot.«
»Er ist nicht tot«, sagte Ioona leise und richtete der schwarzen Madonna liebevoll ein wenig das Kleid. »Die Schwarze Sara sagt, dass er noch lebt.«
»Nikolas lebt?«, rief Marina voller Hoffnung.
»Er ist bereits auf dem Weg zu uns.«
»Nein!«, widersprach Peter heftig. »Glauben Sie mir, Edward Kelly hat ihn längst erschossen.«
»Edward Kelly!« Ioona verzog schmerzhaft das Gesicht wie unter einem Schlag. »Ich wünschte, ich hätte diesen verfluchten Namen nie wieder hören oder aussprechen müssen.«
»Sie kennen Kelly?«, fragte Peter irritiert.
»Aber natürlich«, seufzte Ioona und ließ sich erschöpft in ihren Sessel zurückfallen. Sie wirkte plötzlich grau und eingefallen in ihrem Trainingsanzug. »Edward Kelly war einmal mein Mann.«
XXVIX
4. Juli 2011, Köln
S ie erreichten Köln am frühen Morgen nach einer über
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