Collector’s Pack
rasendes Tier in seinem Kopf wütete. Mit geröteten Lidern und zusammengekniffenen Augen blickte der Präfekt nach Osten, über das Kidrontal hinweg auf den gegenüberliegenden Ölberg, wo eine Centurie in der vergangenen Nacht einen galiläischen Rabbiner festgenommen hatte. Die Spitzel des Präfekten hatten schon seit Tagen von dem Mann berichtet, der die Priester im Tempel beleidigte und wirre Reden hielt. Im Grunde nichts Ungewöhnliches, dieses Volk brachte alle Arten von Spinnern, Eiferern und Sonderlingen hervor. Dieser eine jedoch schien eine sonderbare Anziehung auf die Leute zu haben. Er war erst eine Woche in der Stadt, aber die Spitzel hatten berichtet, dass er auf dem Ölberg regelmäßig predigte und dass manche ihn schon für den lange erwarteten Messias hielten.
Wie er dieses Gerücht hasste.
Aber das hatte den Präfekten auf eine Idee gebracht, wie er die Blase der Gewalt, die da zu seinen Füßen unaufhörlich anschwoll, aufstechen konnte. Ein Exempel. Yerushalayim wollte Blut sehen? Konnte sie haben, diese verhasste Stadt.
Hinter den letzten Wolken ging die Sonne auf. Eine schleimige Blase, geboren aus Verwesung und Agonie, wie dem Präfekten schien, die ihn auch an diesem Tag erneut bis zum Wahnsinn quälen würde. Unten im Tal leuchtete der Ginster, der Präfekt vermeinte, den Duft von Rosen und Jasmin wahrzunehmen. Eine Schwalbe zischte dicht über seinen Kopf hinweg und umkreiste einen der vier Wachtürme. Weder der Duft des nahenden Frühlings noch der nächtliche Regen hatten den Präfekten von seinen Kopfschmerzen erlösen können, die ihn schon seit Tagen quälten. Ihm wurde schwarz vor Augen, und sein Magen hob sich. Stöhnend lehnte er sich an die Mauer und übergab sich.
»Hegemon!« Aulus Malleolus, der Centurio seiner Leibgarde, eilte herbei, doch der Präfekt winkte nur ab und wischte sich den Mund.
»Bring mir diesen Rabbiner«, keuchte er. »Ich will ihn verhören.«
»Der Bericht ist eindeutig, Hegemon.«
»Ich will ihn sehen, sage ich!«
Der Centurio salutierte, indem er die Faust gegen seine Brust schlug, und wandte sich ab, um den Befehl auszuführen.
Der Präfekt richtete sich mühsam auf, die Augen immer noch zugekniffen, um nicht in die verdammte Sonne sehen zu müssen.
Mit vorsichtigen Schritten wie auf dünnem Eis ging er die Stufen hinab in den Audienzsaal im Innern der Festung. Auf seinen Befehl hin hatte man sämtliche Fenster mit Stoffen verhängt. Vor seinem Stuhl brannte nur ein Kohlenfeuer in einer Schale, und die wenigen Fackeln an den Wänden erhellten den Saal gerade genug, dass man seinen Gesprächspartner erkennen konnte.
Nachdem er Platz genommen hatte, erschien der Schreiber und dahinter Aulus Malleolus mit zwei Legionären, die den gefesselten Rabbiner hereinschleiften. Pilatus schätzte den Mann auf Anfang dreißig, vielleicht jünger. Er war dünn, wirkte aber zäh und sehnig und trug ein schmutziges und inzwischen zerrissenes und blutverschmiertes Kethoneth wie ein judäischer Handwerker. Sein struppiger Bart war verfilzt von Blut, sein ganzes Gesicht von der Folter gezeichnet, die Lippen aufgeplatzt, das linke Auge vollkommen zugeschwollen. Als er langsam auf den Präfekten zuschritt, sah Pilatus, dass er hinkte. Eine jämmerliche, todgeweihte Gestalt. Doch selbst durch das Dämmerlicht des Saals verstand Pilatus, dass dieser Mann wirklich gefährlich war. Ein Blick in seine Augen genügte.
Der Präfekt ließ sich von Malleolus den Untersuchungsbericht reichen und betrachtete den Gefangenen eine Weile schweigend und neugierig, bevor er mit dem Verhör begann. Zu seinem Ärger bemerkte er, dass der Gefangene ihn ebenso unverhohlen musterte.
»Wie ist dein Name?«, sprach er ihn schließlich auf Aramäisch an.
»Yeshua Bar Rabban, gütiger Herr«, antwortete der Gefangene mit überraschend klarer Stimme im Dialekt der Galiläer.
»Du nennst mich gütiger Herr?« Pilatus starrte den Rabbiner an und gab Malleolus einen Wink. Im gleichen Augenblick schlug Aulus Malleolus den Gefangenen mit einem Faustschlag von hinten nieder. Stöhnend sackte Yeshua zusammen, sein Gesicht verlor die letzte Farbe. Malleolus zerrte ihn brutal wieder auf die Beine.
»Der Präfekt ist mit Hegemon anzureden!«, sagte er scharf.
»Ich habe verstanden«, keuchte Yeshua Bar Rabban und bemühte sich um Haltung.
»Yeshua Bar Rabban«, begann Pilatus wieder. »Weißt du, was dich erwartet?«
»Oh ja«, sagte der Mann, nun wieder ruhiger. »Ihr werdet mich töten. Aber
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