Collector’s Pack
ich will nicht sterben. Ich habe eine Frau und einen kleinen Sohn. Genau wie du.«
»Schweig!«, brüllte ihn der Präfekt an. »Wage es nicht, dich mit mir zu vergleichen!«
Der Gefangene verstummte, sah Pilatus aber mit festem Blick an.
Pilatus verfluchte sich innerlich, weil er so gebrüllt hatte. Die Schmerzen in seinem Schädel brachten ihn fast um den Verstand. »Bar Rabban«, fuhr er leise fort und achtete darauf, sich so wenig wie möglich zu bewegen, um das Tier in seinem Kopf nicht weiter zu reizen. »Das heißt ›Sohn des Herrn‹. Wer ist dein Herr?«
»Der einzige und allmächtige Gott. Das Licht der Gnade.«
»Also steht dein Gott noch über dem Kaiser?«
»Der Kaiser ist sterblich, güti…« Etwas flackerte in seinem Blick, und er korrigierte sich. »… Hegemon.«
Dieses Gerede zerrte Pilatus an den Nerven. Der Mann wusste doch, was er hören wollte, warum sagte er es nicht einfach? Er schloss die Augen und leierte lakonisch: »Natürlich ist er sterblich. Aber gibt es, solange er lebt, einen Gott, der über ihm steht?« Fast hoffte er, Yeshua möge die falsche Antwort geben. Oder die richtige, je nach Standpunkt.
»Einzig der Herr ist ewig und allmächtig«, erwiderte der Gefangene ruhig und fest. »Nur er kann ewige Gnade und Erlösung gewähren.«
Reine Zeitvergeudung, dachte der Präfekt. Egal was dieser Mann über Frau und Kind gesagt hatte, ganz offensichtlich hatte er es sehr eilig zu sterben. »Genau wie du«, hatte er gesagt. Einen Moment lang hing Pilatus träumerisch seinen Gedanken an seine Frau und seinen vierzehnjährigen Sohn nach, die er auf seinem Landgut in den grünen Bergen des Appenin zurückgelassen hatte. Und für einen Moment fragte er sich, warum er sich den Beschuldigten überhaupt hatte vorführen lassen. Der vorliegende Untersuchungsbericht war eindeutig, das Urteil stand fest. Und doch war da etwas … Pilatus bemerkte nämlich, dass das Tier in seinem Kopf ein wenig zur Ruhe kam. Die dumpfen quälenden Nebel rissen auf. Es konnte nicht an diesem Mann liegen, nicht an seinen Worten. Oder doch?
»Du sprichst von Gnade? Du hast das Volk aufgewiegelt, den Tempel von Yerushalayim zu zerstören!«
»Nein, Hegemon«, erklärte Yeshua. »Ich habe nie etwas Derartiges gesagt oder irgendjemanden dazu angestiftet. Diese gütigen Menschen haben mich falsch verstanden.«
Der Präfekt warf einen Blick in den Untersuchungsbericht. »Hier steht, dass du dich im Hause des Judas aus Karioth zum König der Juden erklärt hast. Dass du mit zelotischen Aufwieglern konspirierst und mit Anschlägen geprahlt hast.«
»Oh nein, Hegemon. Judas aus Karioth ist ein gütiger und gastfreundlicher Mensch, aber auch er hat mich falsch verstanden. Ich habe niemals zur Gewalt aufgerufen. Deshalb haben sich einige dieser gütigen Menschen, die du Zeloten nennst, Hegemon, auch bedauerlicherweise von mir abgewendet.«
Pilatus rieb sich die Schläfen. Tatsächlich hatte der Druck noch weiter nachgelassen. »Das heißt, du weigerst dich, deine Worte zu widerrufen?« Er konnte sogar seinen Kopf hin- und herwiegen, ohne Übelkeit zu verspüren.
»Diese Worte, Hegemon, hat der Herr, mein Vater, mir gegeben, damit ich den Menschen die Wahrheit bringe.«
Er redet und redet, dachte Pilatus gelangweilt. Wieder glitten seine Gedanken ab. Rohe Bilder von Blut und zerfetzten Leichen zuckten durch seinen Kopf. Der Präfekt sah, wie der Tempel des Herodes zerfiel, wie ein großes Feuer über die verhasste Stadt kam und sie verschlang. In seinem Kopf dröhnte für einen Moment das Stöhnen von Millionen von Sterbenden. Und mittendrin in einem Meer aus Leichen, Blut und Verwüstung stand ein Mann mit dem Kopf eines Löwen.
Irritiert schüttelte der Präfekt diese apokalyptische Fantasie ab und rieb sich den kahlen, massigen Schädel. Ein leichtes Pochen war noch zu vernehmen.
»Bitte, töte mich nicht, Hegemon«, bat Yeshua eindringlich. »Ich sehe, dass du mich nicht töten willst. Du bist ein gütiger Mensch, aber deine Dämonen haben dich zu jenem Ungeheuer gemacht, als das dich die Menschen sehen.«
Pilatus starrte den Rabbiner an. Er hätte fassungslos über diese Dreistigkeit sein müssen, aber etwas an seinen Worten ließ ihn zögern. Der Schreiber hörte auf zu schreiben, und Malleolus spannte sich an, wartete nur auf einen Wink des Präfekten, um den Gefangenen auf der Stelle totzuschlagen. Aber Pilatus erhob weder die Hand noch die Stimme.
»Meine Dämonen, sagst du?«, wandte er sich an
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