Collins, Suzanne
geht, als ich dachte, er könnte
Stück für Stück wieder zu mir zurückkehren, da bekomme ich den Beweis
geliefert, wie tief Snows Gift eingedrungen ist. »Katniss.« Peeta ist darauf programmiert, mit dem zischenden Refrain mitzugehen,
sich an der Jagd zu beteiligen. Jetzt bewegt er sich. Ich habe keine Wahl. Ich
richte meinen Pfeil auf seinen Kopf, um sein Hirn zu durchbohren. Er wird kaum
etwas spüren. Plötzlich setzt er sich auf, mit schreckgeweiteten Augen, ganz
außer Atem. »Katniss!« Er macht eine ruckartige Bewegung auf mich zu, scheint
aber meinen Bogen und den abschussbereiten Pfeil nicht zu bemerken. »Katniss!
Verschwinde von hier!«
Ich zögere. Seine Stimme klingt alarmiert, aber nicht wahnsinnig.
»Warum? Woher kommt dieses Geräusch?«
»Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass es dich töten
soll«, sagt Peeta. »Lauf weg! Verschwinde! Mach schon!«
Nachdem ich den kurzen Moment der Verwirrung überwunden
habe, komme ich zu dem Schluss, dass ich Peeta nicht töten muss. Ich entspanne
die Bogensehne. Schaue in die besorgten Gesichter rings um mich. »Was immer es
ist, es ist hinter mir her. Vielleicht sollten wir uns jetzt wirklich trennen.«
»Aber wir sind deine Leibwache«, sagt Jackson.
»Und dein Kamerateam«, fügt Cressida hinzu.
»Ich lasse dich nicht allein«, sagt Gale.
Ich betrachte das Team, das nur mit Kameras und Klemmbrettern
bewaffnet ist, Finnick mit seinen zwei Gewehren und dem Dreizack. Ich schlage
vor, dass er ein Gewehr Castor gibt, das leere Magazin in Peetas Gewehr durch
ein geladenes ersetzt und damit Pollux bewaffnet. Gale und ich haben die Bogen,
deshalb geben wir unsere Gewehre an Messalla und Cressida weiter. Wir können
ihnen nur schnell zeigen, wie man zielt und den Abzug betätigt, aber im
Nahkampf mag das genügen. Besser, als wehrlos zu sein. Jetzt ist Peeta der
Einzige, der unbewaffnet ist. Aber einer, der zusammen mit einer Meute
Mutationen meinen Namen flüstert, braucht sowieso keine Waffe.
Wir brechen auf und lassen nur unseren Geruch im Raum zurück.
Im Moment gibt es keine Möglichkeit, ihn auszulöschen. Ich nehme an, gerade
dadurch finden die zischenden Viecher unsere Fährte, sichtbare Spuren haben wir
nämlich kaum hinterlassen. Wahrscheinlich ist der Geruchssinn der Mutationen
äußerst fein, und vielleicht lassen sie sich von der Tatsache, dass wir durch
ein Abwasserrohr gerobbt sind, ja ein bisschen aus dem Konzept bringen.
Ohne das Summen des Raums wird das Zischen deutlicher. So
kann man auch besser einschätzen, wo die Mutationen sich befinden. Sie sind
hinter uns, ein gutes Stück entfernt. Wahrscheinlich hat Snow angeordnet, sie
in der Nähe der Stelle loszulassen, wo Boggs' Leiche gefunden wurde.
Theoretisch müssten wir einen ordentlichen Vorsprung haben, auch wenn sie mit
Sicherheit viel schneller sind als wir. Ich muss an die wolfsähnlichen Kreaturen
in der ersten Arena zurückdenken, an die Affen beim Jubel-Jubiläum und an all
die Ungeheuer, die ich über die Jahre im Fernsehen miterlebt habe, und ich
frage mich, welche Gestalt diese Mutationen haben mögen, aber ich kenne die
Antwort schon: jene, von der Snow denkt, dass sie mir am meisten Angst einjagt.
Pollux und ich haben eine Route für die nächste Etappe unserer
Reise ausgearbeitet, und da sie von dem Zischen wegführt, sehe ich keinen
Grund, sie zu ändern. Wenn wir schnell genug sind, erreichen wir Snows Amtssitz
vielleicht, bevor die Mutationen uns einholen. Aber vor lauter Eile werden wir
auch nachlässig: ein Stiefel, der so unachtsam aufgesetzt wird, dass es
platscht, das unbeabsichtigte Scheppern eines Gewehrs gegen ein Rohr, meine zu
lauten Kommandos.
Durch ein Überlaufrohr und eine verwahrloste Gleisstrecke
legen wir weitere drei Straßenzüge zurück. Da hören wir die Schreie. Heiser und
kehlig hallen sie von den Tunnelwänden wider.
»Avoxe«, sagt Peeta sofort. »Genau so hat Darius geschrien,
als er gefoltert wurde.«
»Die Mutationen müssen sie gefunden haben«, meint Cressida.
»Dann sind sie also nicht nur hinter Katniss her«, sagt
Leeg 1.
»Vermutlich töten sie jeden. Und sie werden nicht
aufhören, ehe sie Katniss erwischen«, sagt Gale. Nach dem, was er bei Beetee
gelernt hat, hat er vermutlich recht.
Das alte Lied. Menschen müssen meinetwegen sterben.
Freunde, Verbündete, Fremde, die mich nie gekannt haben - alle müssen für den
Spotttölpel ihr Leben lassen. »Ich gehe allein weiter. Ich führe sie in die
Irre. Das Holo gebe ich Jackson.
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