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Collins, Suzanne

Collins, Suzanne

Titel: Collins, Suzanne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Flammender Zorn (Die Tribute von Panem Bd 3)
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plötzlich von starken Armen gepackt und gegen die Leiter gestoßen.
Jemand legt meine Hände auf die Sprossen. Befiehlt mir zu klettern. Meine hölzernen
Puppenarme gehorchen. Durch die Bewegung komme ich langsam zur Besinnung. Über
mir erkenne ich Pollux. Peeta und Cressida folgen mir. Wir erreichen eine
Plattform. Erklimmen eine zweite Leiter. Der allgegenwärtige Schimmel und unser
Schweiß machen die Sprossen glitschig. Als wir die nächste Plattform erreichen,
ist mein Kopf wieder klar, und schlagartig wird mir bewusst, was geschehen ist.
Hektisch ziehe ich die Leute herauf, die nach mir kommen. Peeta. Cressida. Das
sind alle.
    Was habe ich getan? In welcher Lage habe ich die anderen
zurückgelassen? Ich will wieder nach unten klettern, doch da trete ich mit dem
Stiefel auf eine Hand.
    »Hochklettern!«, brüllt Gale. Im Nu bin ich wieder oben
und hieve ihn hoch. Ich starre in die Finsternis, ob noch mehr kommen. »Nein.«
Gale zieht mein Gesicht zu sich und schüttelt den Kopf. Seine Uniform ist
zerfetzt. Seitlich am Hals hat er eine klaffende Wunde.
    Von unten hört man einen Menschen schreien. »Da lebt noch
jemand«, flehe ich.
    »Nein, Katniss. Von denen kommt keiner mehr nach«, sagt
Gale. »Nur die Mutationen.«
    Ich weigere mich, das zu akzeptieren, und leuchte mit dem
Licht an Cressidas Gewehr in den Schacht. Ganz unten erkenne ich Finnick, der
sich verzweifelt gegen drei Mutationen wehrt, die an ihm zerren. Als eine
seinen Kopf nach hinten reißt, um den tödlichen Biss zu setzen, geschieht etwas
Seltsames. Es ist, als wäre ich Finnick und ließe Bilder aus seinem Leben an
mir vorüberziehen. Der Mast eines Boots, ein silberner Fallschirm, die lachende
Mags, ein rosa Himmel, Beetees Dreizack, Annie im Hochzeitskleid, Wellen, die
sich an den Felsen brechen. Dann ist es vorbei.
    Ich löse das Holo von meinem Gürtel und sage mit letzter
Kraft »Nachtriegel, Nachtriegel, Nachtriegel«. Lasse es in den Schacht fallen.
Ducke mich mit den anderen gegen die Wand, während die Explosion die Plattform
erschüttert und Fleischfetzen von Mutationen und Menschen durch das Rohr
geschossen kommen und auf uns herabregnen.
    Pollux lässt den Deckel auf das Rohr krachen und
verschließt ihn. Pollux, Gale, Cressida, Peeta und ich. Mehr sind nicht übrig.
Die menschlichen Regungen werden später kommen. Jetzt verspüre ich nur das animalische
Bedürfnis, die verbleibenden Mitglieder unserer Schar zu retten. »Hier können
wir nicht bleiben.«
    Jemand reicht einen Verband. Wir wickeln ihn um Gales
Hals. Helfen ihm auf. Nur einer kauert noch immer an der Wand. »Peeta«, sage
ich. Keine Antwort. Ist er nicht bei Sinnen? Ich hocke mich vor ihn und ziehe
seine gefesselten Hände vom Gesicht weg. »Peeta?« Seine Augen sind wie schwarze
Teiche, die Pupillen so geweitet, dass die blaue Iris beinahe nicht mehr zu
sehen ist. Die Muskeln seiner Handgelenke sind steinhart.
    »Lass mich«, flüstert er. »Ich kann nicht mehr.«
    »Doch. Du kannst!«, sage ich.
    Peeta schüttelt den Kopf. »Ich drehe durch. Ich werde wahnsinnig.
Wie sie.«
    Wie die Mutationen. Wie eine tollwütige Bestie, die mir um
jeden Preis die Kehle herausreißen will. Und hier, an diesem Ort, unter diesen
Umständen, werde ich ihn nun wirklich töten müssen. Und Snow wird gewinnen.
Heißer, bitterer Hass durchströmt mich. Snow hat heute schon zu oft gewonnen.
    Es ist ein großes Risiko, vielleicht ist es Selbstmord,
trotzdem tue ich das Einzige, was mir einfallt. Ich beuge mich vor und küsse
Peeta auf den Mund. Sein ganzer Körper erbebt, aber ich presse meine Lippen auf
seine, bis ich wieder Luft holen muss.
    Umfasse seine Hände. »Du darfst nicht zulassen, dass er
dich mir wegnimmt.«
    Peeta keucht schwer, während er gegen die Albträume in seinem
Kopf ankämpft. »Nein, ich möchte nicht ...«
    Ich umklammere seine Hände so fest, dass es wehtut. »Bleib
bei mir.«
    Seine Pupillen verengen sich zu kleinen Punkten, weiten
sich schnell wieder und nehmen dann so etwas wie Normalgröße an. »Immer«,
flüstert er.
    Ich helfe Peeta hoch und wende mich an Pollux. »Wie weit
ist es bis zur Straße?« Er deutet an, dass sie gleich über uns ist. Ich
klettere die letzte Leiter hoch, stoße den Deckel auf und blicke in den
Haushaltsraum eines Hauses. Während ich mich aufrichte, öffnet eine Frau die
Tür. Sie trägt einen leuchtend türkisfarbenen Morgenrock aus Seide, der mit
exotischen Vögeln bestickt ist. Ihr magentafarbenes Haar ist aufgeplustert

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