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Collins, Suzanne

Collins, Suzanne

Titel: Collins, Suzanne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Flammender Zorn (Die Tribute von Panem Bd 3)
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Friedenswächter vorbei. Wir springen zur Seite, wie die richtigen
Bürger, und warten, bis die Menge weiterwogt. »Cressida«, flüstere ich. »Hast
du eine Idee, wohin?«
    »Ich überlege fieberhaft«, antwortet sie.
    Als wir die nächste Querstraße hinter uns haben, beginnen
die Sirenen zu heulen. Durch ein Wohnungsfenster sehe ich einen Sonderbericht
und Bilder unserer Gesichter. Sie haben noch nicht festgestellt, wer aus
unserer Gruppe bereits tot ist, denn auch Castors und Finnicks Gesicht sind
dabei. Bald wird jeder Passant für uns so gefährlich sein wie ein
Friedenswächter. »Und, Cressida?«
    »Es gibt einen Ort. Er ist nicht ideal. Aber wir können es
versuchen«, sagt sie. Wir folgen ihr ein paar Querstraßen weiter und biegen
durch ein Tor in ein offenbar privates Anwesen. Es ist aber nur eine Art
Abkürzung, denn nachdem wir den gepflegten Garten durchquert haben, gelangen
wir durch ein zweites Tor in eine kleine Gasse, die zwei Hauptstraßen miteinander
verbindet. Ein paar winzige Läden sind zu sehen - einer kauft Gebrauchtwaren
auf, ein anderer bietet falschen Schmuck an. Die wenigen Leute, die sich hier
aufhalten, beachten uns nicht. Cressida plappert plötzlich in schrillem Ton
über Fellunterwäsche, wie unverzichtbar sie in diesen kalten Monaten doch sei.
»Und erst die Preise! Glaubt mir, hier zahlt ihr höchstens halb so viel wie in
den Läden an der Hauptstraße!«
    Vor einem schmuddeligen Schaufenster mit Puppen in Fellunterwäsche
halten wir an. Es sieht eigentlich nicht so aus, als hätte der Laden geöffnet,
doch Cressida stürmt unverdrossen durch die Eingangstür, wobei sie eine
verstimmte Melodie auslöst. In dem engen, dunklen, von Warenregalen gesäumten
Geschäft steigt mir der Geruch von Pelzen in die Nase. Der Laden scheint nicht
besonders zu laufen, denn wir sind die einzigen Kunden. Cressida geht
schnurstracks auf eine gebeugte Gestalt zu, die im hinteren Teil des Ladens
sitzt. Während ich ihr folge, fahre ich mit den Fingern über die weichen
Kleidungsstücke.
    Hinter dem Tresen hockt die seltsamste Person, die ich je
gesehen habe. Sie ist ein extremes Beispiel für misslungene Schönheitsoperationen,
ein solches Gesicht findet man wohl nicht mal im Kapitol schön. Die Haut wurde
straff nach hinten gezogen und mit schwarzen und goldenen Streifen tätowiert.
Die Nase ist so flach, dass sie kaum noch vorhanden ist. Ich habe schon
Schnurrhaare in Kapitolgesichtern gesehen, aber so lange noch nie. Das Ergebnis
ist eine groteske, halb katzenartige Maske, die uns jetzt argwöhnisch mustert.
    Cressida zieht ihre Perücke ab und zeigt ihre
Rankentattoos. »Tigris«, sagt sie. »Wir brauchen Hilfe.«
    Tigris. Tief in meinem Hirn klingelt es. Sie -
beziehungsweise eine jüngere, weniger verstörende Version ihrer selbst -
gehörte zum festen Repertoire der ersten Hungerspiele, an die ich mich erinnern
kann. Eine Stylistin, wenn ich mich recht entsinne. Für welchen Distrikt, weiß
ich nicht mehr. 12 war es jedenfalls nicht. Dann hat sie wohl eine Operation zu
viel machen lassen und danach sah sie so abstoßend aus.
    Das ist also die Endstation für Stylisten, die nicht mehr
gebraucht werden. Trostlose Spezialunterwäsche-Läden, in denen sie auf den Tod
warten. Von der Öffentlichkeit vergessen.
    Ich starre ihr ins Gesicht und frage mich, ob ihre Eltern
sie Tigris genannt und ihr diese Entstellung damit schon in die Wiege gelegt haben
oder ob sie erst das Outfit entworfen und sich dann entsprechend umbenannt hat.
    »Plutarch meinte, wir könnten dir vertrauen«, fügt
Cressida hinzu.
    Großartig, sie gehört zu Plutarchs Leuten. Das bedeutet,
dass sie uns entweder gleich dem Kapitol ausliefert oder aber Plutarch, und
damit auch Coin, über unseren Aufenthaltsort informiert. Nein, Tigris' Laden
ist bestimmt nicht ideal. Aber im Augenblick haben wir nichts anderes.
Vorausgesetzt, sie hilft uns. Ihr Blick pendelt zwischen einem alten Fernseher
auf dem Tresen und uns hin und her, als wollte sie uns einordnen. Damit sie es
leichter hat, ziehe ich den Schal herunter, nehme die Perücke ab und trete
näher, sodass das Bildschirmlicht auf mein Gesicht fällt.
    Tigris knurrt leise, in etwa so, wie Butterblume mich
begrüßen würde. Sie gleitet von ihrem Stuhl und verschwindet hinter einem
Regal mit pelzgefütterten Leggings. Wir hören ein schleifendes Geräusch, dann
taucht ihre Hand auf und winkt uns heran. Cressida sieht mich an, als wollte
sie fragen: Meinst du wirklich? Aber was bleibt

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