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Collins, Suzanne

Collins, Suzanne

Titel: Collins, Suzanne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Flammender Zorn (Die Tribute von Panem Bd 3)
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kann.«
     
    24
     
    Mich schaudert. Bin ich wirklich so kalt und berechnend?
Gale hat nicht gesagt: »Katniss wird den nehmen, bei dem es ihr das Herz
bricht, wenn sie ihn aufgeben muss«, oder gar »ohne den sie nicht leben kann«.
Das hätte immerhin vorausgesetzt, dass ich irgendwie von Leidenschaft geleitet
wäre. Doch mein bester Freund prophezeit, dass ich den nehmen werde, von dem
ich denke, dass ich »ohne ihn nicht überleben kann«. Er hält es für
ausgeschlossen, dass ich von Liebe oder Verlangen oder auch nur der Frage, wer
am besten zu mir passt, getrieben sein könnte. Gales Meinung nach werde ich
kühl kalkulieren, welcher meiner potenziellen Gefährten mir mehr zu bieten
hat. Als ginge es nur um die Frage, ob mir ein Bäcker oder ein Jäger ein
längeres Leben verspricht. Es ist schrecklich, dass Gale so etwas sagt. Und
dass Peeta nicht widerspricht. Wo mir doch all meine Gefühle vom Kapitol oder
von den Rebellen genommen und ausgeschlachtet wurden. In diesem Augenblick
fiele mir die Wahl leicht. Ich kann prima ohne die beiden überleben.
    Am nächsten Morgen habe ich weder Kraft noch Zeit, mich um
verletzte Gefühle zu kümmern. Zum Frühstück, das aus Leberpastete und
Feigenkeksen besteht und das wir noch vor dem Morgengrauen einnehmen,
versammeln wir uns vor Tigris' Fernseher und warten darauf, dass Beetee sich
einschaltet. Es gibt neue Entwicklungen im Kriegsverlauf. Offenbar inspiriert
von der schwarzen Welle, ist den Rebellenkommandeuren die Idee gekommen, die
zurückgelassenen Automobile der Leute zu konfiszieren und sie als unbemannte
Vorhut durch die Straßen zu schicken. Jede Kapsel lösen die Autos zwar nicht
aus, aber die meisten natürlich schon. Mithilfe dieser Taktik haben die
Rebellen seit dem frühen Morgen damit begonnen, drei getrennte Schneisen ins
Zentrum des Kapitols zu schlagen - schlicht als Linie A, B und C bezeichnet. So
können sie ohne nennenswerte Verluste einen Straßenzug nach dem anderen
erobern.
    »Das kann nicht so weitergehen«, sagt Gale. »Es wundert
mich, dass es überhaupt so lange funktioniert hat. Das Kapitol wird sich darauf
einstellen und manche Kapseln deaktivieren und erst dann manuell auslösen, wenn
die eigentlichen Ziele in Reichweite sind.« Schon wenige Minuten später können
wir genau das auf dem Bildschirm mitverfolgen. Eine Rebelleneinheit schickt
ein leeres Auto über die Straße und löst dadurch vier Kapseln aus. Der Weg
scheint frei. Drei Aufklärer folgen dem Wagen und gelangen heil ans Ende der
Straße. Doch als eine Gruppe von zwanzig Rebellensoldaten ihnen folgt, wird sie
auf der Höhe eines Blumenladens, vor dem mehrere mit Rosen bepflanzte Töpfe
explodieren, in Stücke gerissen.
    »Bestimmt leidet Plutarch wie ein Hund, dass er jetzt
nicht an den Knöpfen sitzt«, sagt Peeta.
    Beetee schaltet wieder um auf das Kapitolprogramm, wo eine
Sprecherin mit grimmigem Gesicht verkündet, welche Straßenabschnitte von den
Bewohnern zu evakuieren sind. Anhand dieser Angaben und der Bilder zuvor kann
ich die aktuellen Stellungen der gegnerischen Armeen auf meinem Stadtplan
einzeichnen.
    Draußen sind Schritte zu hören. Ich laufe zum Fenster und
spähe durch einen Spalt im Rollladen. Im Dämmerlicht werde ich Zeuge eines
seltsamen Schauspiels. Flüchtlinge aus den eroberten Straßenzügen strömen
vorbei, dem Zentrum zu. Die Panischen noch in Schlafanzug und Pantoffeln, die
anderen, die besser vorbereitet waren, mit mehreren Schichten Kleidung
übereinander. Sie schleppen alles Mögliche mit, vom Schoßhündchen bis zu
Schmuckkästchen und Topfpflanzen. Ein Mann im Bademantel hat nur eine überreife
Banane dabei. Schlaftrunkene Kinder stolpern hinter ihren Eltern her, die
meisten zu erstaunt oder verwirrt, um zu weinen. In Ausschnitten ziehen sie an
meinem Sichtstreifen vorbei. Schreckgeweitete braune Augen. Ein Arm, der die
Lieblingspuppe umfasst. Nackte, blau gefrorene Füße, die über das unebene Pflaster
tappen. Der Anblick erinnert mich an die Kinder aus Distrikt 12, die auf der
Flucht vor den Brandbomben gestorben sind. Ich trete vom Fenster zurück.
    Tigris bietet an, sich tagsüber ein wenig umzusehen. Ein
guter Vorschlag, denn sie ist die Einzige, auf deren Kopf keine Belohnung
ausgesetzt ist. Nachdem wir wieder im Versteck sind, geht sie hinaus, um die
Lage zu peilen.
    Ich renne ununterbrochen auf und ab und mache die anderen
im Keller ganz verrückt. Etwas sagt mir, dass es ein Fehler wäre, den Flüchtlingsstrom
nicht auszunutzen.

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