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Collins, Suzanne

Collins, Suzanne

Titel: Collins, Suzanne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Flammender Zorn (Die Tribute von Panem Bd 3)
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Wunsch, in den Wald zu entfliehen, und sei es nur für
zwei Stunden, ist größer als meine Sorgen. In Laub und Sonnenlicht
einzutauchen, könnte mir helfen, meine Gedanken zu ordnen.
    Als wir draußen auf dem Hauptkorridor sind, laufen Gale
und ich wie die Schulkinder los zum Arsenal, und als wir ankommen, bin ich
atemlos und benommen. Ein Indiz dafür, dass ich noch nicht ganz die Alte bin.
Die Wachleute händigen uns unsere Waffen sowie Messer und einen Jutebeutel aus,
der zur Aufbewahrung der Beute dient. Ich sträube mich nicht, als der Aufspürer
um meinen Knöchel gelegt wird, und mache ein aufmerksames Gesicht, als uns die
Funktionsweise des Handfunkgeräts erklärt wird. Bei mir bleibt nur hängen,
dass es eine Uhr besitzt und wir unbedingt zur festgesetzten Zeit zurück sein
müssen, wenn wir nicht riskieren wollen, dass uns das Jagdprivileg wieder
entzogen wird. Diese eine Regel werde ich nach Kräften befolgen.
    Wir gehen hinaus auf das weitläufige eingezäunte Übungsgelände
am Waldrand. Wachmänner öffnen kommentarlos die gut geölten Tore. Diesen Zaun
auf eigene Faust zu überwinden, wäre alles andere als ein Kinderspiel: Er ist
zehn Meter hoch, man hört das Sirren des Stroms, und den Abschluss bilden rasiermesserscharfe
Stahlrollen. Wir gehen durch den Wald, bis wir den Zaun nicht mehr sehen. Auf
einer kleinen Lichtung bleiben wir stehen und legen die Köpfe zurück, um das
Licht der Sonne zu genießen. Ich breite die Arme aus und drehe mich im Kreis, langsam,
damit mir nicht schwindelig wird.
    Die Trockenheit, die mir schon in Distrikt 12 aufgefallen
ist, hat auch hier die Pflanzen geschädigt, das dürre Laub bildet einen Teppich
unter unseren Füßen. Wir ziehen die Schuhe aus. Meine passen sowieso nicht richtig,
denn ganz im Sinne des Sparsamkeitsethos in Distrikt 13 hat man mir gebrauchte
gegeben, aus denen der Vorbesitzer herausgewachsen war. Einer von uns muss
einen merkwürdigen Gang haben, denn sie sind ganz komisch eingelaufen.
    Gale und ich jagen wie in alten Zeiten. Schweigend, denn
wir brauchen keine Worte, um uns zu verständigen, hier im Wald bewegen wir uns
wie ein einziges Wesen. Wir ahnen den nächsten Schritt des anderen, geben uns
gegenseitig Deckung. Wie lange ist das her, seit wir diese Freiheit zuletzt
hatten? Acht Monate? Neun? Es ist nicht das Gleiche, wegen allem, was seither
passiert ist, wegen der Aufspürer an unseren Knöcheln und der Tatsache, dass
ich öfter mal eine Pause einlegen muss. Aber näher am Glück als in diesem
Moment kann ich augenblicklich nicht sein.
    Die Tiere hier sind nicht sehr scheu. Sie brauchen einen
Moment zu lange, um unseren Geruch einzuordnen, und das bedeutet für sie den
Tod. Nach anderthalb Stunden haben wir ein Dutzend Tiere erlegt, Kaninchen,
Eichhörnchen und Truthähne. Wir beschließen, Feierabend zu machen und die verbleibende
Zeit an einem Teich zu verbringen, der offenbar von einer unterirdischen Quelle
gespeist wird, denn das Wasser ist kühl und süß.
    Gale bietet an, die Tiere auszunehmen, und ich protestiere
nicht. Ich lege mir ein paar Pfefferminzblätter auf die Zunge, schließe die
Augen und lehne mich gegen einen Felsen. In dieser Haltung nehme ich die
Geräusche in mir auf, genieße die heiße Nachmittagssonne auf der Haut und bin
fast zur Ruhe gekommen, als Gales Stimme den Frieden unterbricht. »Wieso liegt
dir eigentlich so viel an deinem Vorbereitungsteam, Katniss?«
    Ich öffne die Augen, weil ich wissen will, ob er Witze
macht, doch er blickt konzentriert auf das Kaninchen hinunter, dem er gerade
das Fell abzieht. »Wieso denn nicht?«
    »Tja. Weil sie das letzte Jahr damit verbracht haben, dich
fürs Abschlachten schön zu machen, vielleicht?«, sagt er.
    »So einfach ist das nicht. Ich kenne sie. Sie sind nicht
böse oder grausam. Sie sind nicht mal besonders helle. Sie sind wie Kinder. Sie
begreifen nicht ... Ich meine, sie wissen nicht ...« Ich verheddere mich in
meinen Worten.
    »Was wissen sie nicht, Katniss?«, fragt er. »Dass die
Tribute - die in den Spielen doch die wahren Kinder sind - gezwungen werden,
sich bis auf den Tod zu bekämpfen? Dass du in die Arena geschickt wurdest,
damit die Leute ihren Spaß haben? War das im Kapitol ein großes Geheimnis?«
    »Nein. Aber sie sehen das nicht so wie wir«, sage ich.
»Sie sind damit groß geworden und ...«
    »Willst du sie deswegen auch noch in Schutz nehmen?« Mit
einer schnellen Bewegung zieht er dem Kaninchen das Fell ab.
    Das trifft mich, denn, so

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