Collins, Suzanne
mache mir nämlich Sorgen wegen Annie. Dass
sie unbewusst etwas sagt, was als verräterisch ausgelegt werden könnte«,
erwidert Finnick.
Annie. Oje. Die habe ich ganz vergessen. »Keine Sorge, für
sie gilt es auch.« Ich drücke Finnicks Hand und gehe zum Podium an der
Stirnseite des Raums. Coin, die gerade noch einmal ihre Erklärung überfliegt,
hebt die Augenbraue. »Annie Cresta muss auch noch auf die Liste derjenigen, die
straffrei ausgehen«, sage ich zu ihr.
Die Präsidentin runzelt die Stirn. »Wer ist das?«
»Sie ist die ...« Ja, was? Ich weiß wirklich nicht, als
was ich sie bezeichnen soll. »Sie ist eine Freundin von Finnick Odair. Aus
Distrikt 4. Auch eine Siegerin. Sie wurde verhaftet und ins Kapitol
verschleppt, als die Arena in die Luft flog.«
»Ach, die Verrückte. Das ist wirklich nicht nötig«, sagt
sie. »Wir pflegen keine Schwachen zu bestrafen.«
Ich muss an die Szene von heute Morgen denken. An Octavia,
die sich an die Wand kauert. Coin und ich müssen völlig unterschiedliche
Begriffe davon haben, was Schwäche bedeutet. Aber ich sage nur: »Nicht? Na,
dann dürfte es doch kein Problem sein, Annie mit draufzusetzen.«
»Einverstanden«, sagt die Präsidentin und schreibt Annies
Namen dazu. »Möchtest du hier oben neben mir stehen, wenn ich die Erklärung
verlese?« Ich schüttele den Kopf. »Das dachte ich mir. Dann geh und misch dich
unter die Menge. Ich fange jetzt an.« Ich kehre zu Finnick zurück.
Selbst mit Worten gehen sie in Distrikt 13 sparsam um.
Coin bittet die Anwesenden um Aufmerksamkeit und teilt ihnen mit, dass ich
zugestimmt habe, der Spotttölpel zu sein, vorausgesetzt, die anderen Sieger -
Peeta, Johanna, Enobaria und Annie - werden nicht bestraft, und zwar
unabhängig davon, ob sie der Sache der Rebellen Schaden zufügen oder nicht. In
der Menge rumort es. Wahrscheinlich sind alle davon ausgegangen, dass ich
unbedingt der Spotttölpel sein will. Deshalb bringt es sie auf, dass ich einen
Preis nenne - und noch dazu einen, der mögliche Feinde verschont. Ich stehe
einfach da und lasse die feindseligen Blicke an mir abprallen.
Die Präsidentin gestattet ein paar Augenblicke der Unruhe,
dann macht sie auf ihre kurz angebundene Art weiter. Nur dass das, was sie
jetzt verkündet, neu für mich ist. »Als Gegenleistung für diese beispiellose
Forderung hat Soldat Everdeen versprochen, sich für unsere Sache zu opfern.
Daraus folgt, dass jedes Abweichen von ihrer Mission in Wort oder Tat als
Verstoß gegen diese Übereinkunft betrachtet wird. In einem solchen Fall würde
die Straffreiheit widerrufen und das Schicksal der vier Sieger dem Gesetz von
Distrikt 13 unterworfen. So wie ihr eigenes auch. Danke.«
Mit anderen Worten: Ein Fehltritt, und wir sind alle tot.
5
Noch ein Druck, mit dem ich fertigwerden muss. Noch ein
mächtiger Spieler, der beschlossen hat, mich als Figur zu benutzen, obwohl die
Dinge doch nie laufen wie geplant. Zuerst waren da die Spielmacher, die einen
Star aus mir machen wollten und dann ihre liebe Not damit hatten, aus der Sache
mit den giftigen Beeren wieder herauszukommen. Als Nächstes Präsident Snow, der
mit meiner Hilfe die Flammen der Rebellion austreten wollte und doch nur
erreichte, dass sie mit jedem meiner Schritte höher loderten. Dann die
Rebellen, die mich mit einem stählernen Greifer aus der Arena zogen, damit ich
ihr Spotttölpel werde, und die dann erfahren mussten, dass ich die Flügel
vielleicht gar nicht haben wollte. Und jetzt Coin mit ihren kostbaren
Atomraketen und ihrem gut geölten Distrikt, die feststellen muss, dass es noch
schwieriger ist, einen Spotttölpel aufzubauen, als ihn einzufangen. Immerhin
hat sie vor allen anderen erkannt, dass ich meinen eigenen Kopf habe und man
mir nicht trauen sollte. Sie ist die Erste, die mich öffentlich als Bedrohung
bezeichnet hat.
Ich tauche die Finger in den dicken Schaum. Diese Grundreinigung
in der Badewanne ist nur ein erster Schritt, bevor sie meinen neuen Look
festlegen. Mein Vorbereitungsteam wird mich so wiederherstellen, dass man die
verätzten Haare, die sonnenverbrannte Haut und die hässlichen Narben nicht mehr
sieht. Sie werden mich schön machen, um mich dann erneut zu ramponieren, zu verbrennen
und zu entstellen, aber so, dass es gut aussieht.
»Bringt sie erst mal auf Beauty Zero«, hat Fulvia heute
Morgen angeordnet. »Dann legen wir los.« Beauty Zero entspricht dem Aussehen
eines Menschen, der frisch dem Bett entsteigt, makellos, aber natürlich.
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