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Collins, Suzanne

Collins, Suzanne

Titel: Collins, Suzanne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Flammender Zorn (Die Tribute von Panem Bd 3)
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läuft mir nur so herunter und sammelt sich in
meinen Handflächen. Damit ich den Gestank nicht so stark wahrnehme, atme ich
durch den Mund. Schwarze Flecken wandern über mein Gesichtsfeld, mir ist, als
könnte ich auf der Stelle ohnmächtig werden. Aber da merke ich, dass Paylor
mich scharf beobachtet. Sie will herausfinden, aus was für einem Holz ich
geschnitzt bin und ob sie alle zu Recht gedacht haben, sie könnten auf mich
zählen. Ich lasse Gale los und zwinge mich, weiter ins Lagerhaus vorzudringen,
den schmalen Durchgang zwischen den Liegenden zu betreten.
    »Katniss?«, krächzt eine Stimme irgendwo links von mir und
übertönt den allgemeinen Lärm. »Katniss?« Durch den Dunst fasst eine Hand nach
mir. Ich greife danach wie nach einem rettenden Strohhalm. Die Hand gehört zu
einer jungen Frau mit verletztem Bein. Der schwere Verband ist blutgetränkt und
von Fliegen bedeckt. In ihrem Gesicht spiegelt sich der Schmerz, aber auch
etwas anderes, etwas, das überhaupt nicht zu ihrer Lage zu passen scheint.
»Bist du das?«
    »Ja«, stoße ich hervor.
    Sie freut sich. Man sieht es in ihrem Gesicht. Beim
Geräusch meiner Stimme hellt es sich auf, für kurze Zeit wird das Leiden
überdeckt.
    »Du lebst! Wir waren uns nicht sicher. Es ging das
Gerücht, aber wir wussten es nicht!«, sagt sie erregt.
    »Ich war ziemlich angeschlagen. Aber jetzt geht es mir wieder
gut«, sage ich. »Und du wirst auch wieder gesund.«
    »Das muss ich meinem Bruder erzählen!« Die Frau setzt sich
mühsam auf und ruft jemanden, der ein paar Betten weiter liegt. »Eddy! Eddy!
Sie ist hier! Das ist Katniss Everdeen!«
    Ein etwa zwölfjähriger Junge dreht sich zu uns hin. Er hat
das halbe Gesicht bandagiert. Die Seite seines Mundes, die ich sehen kann,
öffnet sich, als wollte er etwas rufen. Ich gehe zu ihm, streiche ihm die
nassen braunen Locken aus der Stirn. Murmele einen Gruß. Er kann nicht
sprechen, aber mit seinem gesunden Auge starrt er mich so intensiv an, als
wollte er sich jede Einzelheit meines Gesichts einprägen.
    Ich höre, wie mein Name durch die heiße Luft ins ganze
Lazarett weitergetragen wird. »Katniss! Katniss Everdeen!« Die Schmerzens- und
Klagelaute werden leiser, weichen Rufen gespannter Erwartung. Von allen Seiten
rufen mich Stimmen herbei. Ich gehe weiter, drücke Hände, die mir
entgegengestreckt werden, berühre die unverletzten Glieder derjenigen, die Arme
und Beine nicht bewegen können, sage »Hallo«, »Wie geht's?«, »Schön, Sie
kennenzulernen«. Nichts Bedeutendes, keine sonderlich inspirierten Worte. Aber
das macht nichts. Boggs hat recht. Mein Anblick genügt. Dass ich lebe, ist
Inspiration genug.
    Gierige Finger greifen nach mir, wollen mein Fleisch befühlen.
Als ein geschwächter Mann mein Gesicht in seine Hände nimmt, schicke ich Dalton
meinen stillen Dank für den Tipp, mir das Make-up abzuwaschen. Wie lächerlich,
wie pervers würde ich mir vor diesen Leuten mit der angemalten Maske des Kapitols
vorkommen. Narben, Erschöpfung, Makel. Daran erkennen sie mich, deshalb bin ich
eine von ihnen.
    Trotz des umstrittenen Interviews mit Caesar fragen viele
nach Peeta und versichern mir, sie wüssten, dass er unter Zwang gehandelt habe.
Ich gebe mir alle Mühe, unsere gemeinsame Zukunft positiv darzustellen, doch
als sie erfahren, dass ich das Baby verloren habe, sind die Leute aufrichtig
erschüttert. Ich würde gern mein Gewissen erleichtern und einer Frau, die in
Tränen ausbricht, sagen, dass es nur ein Schwindel war, ein Schachzug. Aber
Peeta als Lügner zu entlarven, wäre seinem Image sicher nicht förderlich. Oder
meinem. Oder der Sache.
    Langsam begreife ich die großen Anstrengungen, die die
Menschen unternehmen, um mich zu beschützen. Was ich für die Rebellen bedeute.
Bei meinem ständigen Kampf gegen das Kapitol, der sich oft so angefühlt hat wie
eine einsame Reise, war ich nicht allein. Ich hatte Abertausende Menschen in
den Distrikten an meiner Seite. Ich war ihr Spotttölpel, lange bevor ich die
Rolle akzeptiert habe.
    Ein neues Gefühl reift in mir heran. Aber erst als ich auf
einem Tisch stehe und dem heiseren Chor, der meinen Namen ruft, zum Abschied
zuwinke, kann ich es fassen. Macht. Ich habe eine Macht, von der ich bisher
nichts wusste. Snow wusste es von dem Augenblick an, da ich diese Beeren in die
Kamera hielt. Plutarch wusste es, als er mich aus der Arena rettete. Und Coin
weiß es jetzt auch. So genau, dass sie ihr Volk öffentlich daran erinnern muss,
dass nicht ich

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