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Collins, Suzanne

Collins, Suzanne

Titel: Collins, Suzanne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Flammender Zorn (Die Tribute von Panem Bd 3)
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Meine Mutter ist gekommen, um zu
sehen, ob ich noch lebe. »Wie geht es dir?«
    »Bin ein bisschen zerschunden, aber sonst ganz gut«, sage
ich.
    »Keiner hat uns gesagt, dass du weggehst! Auf einmal warst
du verschwunden«, sagt sie.
    Ich habe ein schlechtes Gewissen. Zwei Mal hat meine Familie
mit ansehen müssen, wie ich in die Hungerspiele geschickt wurde, da hätte ich
das nicht vergessen dürfen. »Tut mir leid. Der Angriff kam ganz überraschend.
Ich sollte nur die Patienten besuchen«, erkläre ich. »Nächstes Mal sollen sie
das mit dir absprechen.«
    »Katniss, mit mir spricht niemand irgendwas ab«, sagt sie.
    Das ist wahr. Ich ja auch nicht. Jedenfalls nicht seit dem
Tod meines Vaters. Warum so tun, als ob? »Na ja, dann sage ich ihnen
wenigstens, sie sollen ... dir Bescheid geben.«
    Auf dem Nachttisch liegt der Granatsplitter, den sie aus
meinem Bein geholt haben. Die Ärzte haben vor allem Sorge, mein Gehirn könnte
durch die Explosionen Schaden genommen haben, die Gehirnerschütterung war ja
noch gar nicht ganz ausgeheilt. Aber ich sehe nicht doppelt und kann
einigermaßen klar denken. Seit gestern Nachmittag habe ich geschlafen und jetzt
verspüre ich einen Bärenhunger. Das Frühstück ist enttäuschend klein. Nur ein
paar Brocken Brot in warmer Milch. Sie haben mich zu einem morgendlichen
Treffen in die Kommandozentrale bestellt. Als ich aufstehen will, bedeuten sie
mir, dass sie mich im Krankenbett dorthin schieben wollen. Ich würde lieber
laufen, aber sie lassen mich nicht. Als Kompromiss bekomme ich einen
Rollstuhl. Mir geht es wirklich gut. Nur mein Kopf tut weh und das Bein und die
Prellungen und seit dem Frühstück ist mir irgendwie übel. Vielleicht ist die
Idee mit dem Rollstuhl gar nicht so verkehrt.
    Ich lasse mich schieben, und allmählich wird mir mulmig
bei dem Gedanken an das, was mich erwartet. Gale und ich haben gestern die
Befehle missachtet, Boggs' Verletzung ist der Beweis. Das kann nicht folgenlos
bleiben, aber wird es so weit kommen, dass Coin unser Abkommen über die
Straffreiheit der Sieger bricht? Habe ich Peeta das bisschen Schutz genommen,
das ich ihm bieten konnte?
    In der Kommandozentrale warten bereits Cressida, Messalla
und die Insektenmänner, sonst ist keiner da. Messalla strahlt und sagt: »Da
kommt ja unser kleiner Star!«, und die anderen lächeln so herzlich, dass ich
einfach zurücklächeln muss. Ich war schwer beeindruckt, als sie während der
Bombardierung von Distrikt 8 Plutarchs Anweisungen ignoriert haben und mir aufs
Dach gefolgt sind, um an das Filmmaterial zu gelangen. Sie machen nicht einfach
nur ihre Arbeit, sie sind auch stolz darauf. Wie Cinna.
    Auf einmal denke ich: Wenn wir
zusammen in der Arena wären, würde ich sie als Verbündete nehmen. Cressida,
Messalla, und ... und ... »Ich will euch nicht mehr
Insektenmänner nennen«, sage ich unvermittelt zu den beiden Kameraleuten. Ich
erkläre ihnen, was es damit auf sich hat, dass ich ihre Namen nicht kenne und
ihre Anzüge mich an einen Insektenpanzer erinnern. Sie wirken nicht beleidigt.
Auch ohne die Kameraausrüstung sehen sie einander sehr ähnlich. Beide haben
rotblonde Haare, blaue Augen und einen roten Bart. Der Kameramann mit den
abgekauten Fingernägeln stellt sich als Castor vor und den anderen, seinen
Bruder, als Pollux. Ich warte darauf, dass Pollux etwas sagt, aber er nickt
nur. Erst halte ich ihn für schüchtern oder schweigsam. Aber seine Lippen und
sein schweres Schlucken erinnern mich an etwas, und noch ehe Castor es
ausspricht, weiß ich Bescheid. Pollux ist ein Avox. Sie haben ihm die Zunge
herausgeschnitten und er wird nie wieder sprechen können. Jetzt brauche ich
mich nicht mehr zu fragen, weshalb er sein Leben riskiert hat, um das Kapitol
zu stürzen.
    Während der Raum sich füllt, mache ich mich auf einen unfreundlichen
Empfang gefasst. Aber nur von Haymitch, der sowieso immer mürrisch ist, und
von der sauertöpfischen Fulvia Cardew geht eine unangenehme Stimmung aus.
Boggs' Gesicht ist von der Oberlippe bis zur Stirn mit einer hautfarbenen Maske
bedeckt - ich hatte also recht mit der gebrochenen Nase -, deshalb lässt sich
seine Miene kaum deuten. Coin und Gale sind in ein Gespräch vertieft, das
regelrecht freundlich wirkt.
    Als Gale sich kurz darauf auf den Platz neben meinem Rollstuhl
setzt, sage ich: »Na, Freundschaft geschlossen?«
    Sein Blick huscht zu Coin und wieder zurück. »Einer von
uns muss ja kommunikativ sein.« Er berührt mich leicht an der Schläfe.

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