Collins, Suzanne
in die Berge hineingewühlt
und große Pfeiler und Wände aus Stein hinterlassen, die die Schächte
abstützten. Das Kapitol ließ sie verstärken und begann dort einen neuen
Stützpunkt zu errichten. Es wurden Computer aufgestellt, Besprechungszimmer,
Kasernen und Waffenlager errichtet. Die Zugänge wurden erweitert, damit die
Hovercrafts aus der Flughalle herauskonnten, Raketenabschussvorrichtungen
wurden installiert. Äußerlich wurde der Berg weitgehend so belassen, wie er
war. Ein raues, felsiges Gewirr aus Bäumen und Wildnis. Eine natürliche Festung
zum Schutz des Kapitols vor seinen Feinden.
Im Vergleich zu den anderen Distrikten wurden die hiesigen
Einwohner regelrecht gepäppelt. Man brauchte die Rebellen von Distrikt 2 nur
anzuschauen, um zu sehen, dass sie als Kinder gut ernährt und versorgt worden
waren. Manche wurden Arbeiter in den Steinbrüchen und Bergwerken. Andere wurden
für Tätigkeiten in der Nuss ausgebildet oder in den Rang eines Friedenswächters
erhoben. Schon frühzeitig wurden sie hart für den Kampf trainiert. Die
Hungerspiele boten die einzigartige Gelegenheit, zu Ruhm und Wohlstand zu
gelangen. Die Leute in Distrikt 2 schluckten die Propaganda des Kapitols
natürlich leichter als wir anderen und machten sich die Gebräuche des Kapitols
zu eigen. Aber letztendlich waren sie doch Sklaven. Und wenn es auch jenen, die
Friedenswächter wurden oder in der Nuss arbeiteten, nicht bewusst war, die Steinmetze
begriffen es sehr wohl, und sie bildeten den Kern des Widerstands.
Ich bin jetzt zwei Wochen hier und die Lage ist
unverändert. Die am Rande gelegenen Dörfer sind in der Hand der Rebellen, die
Stadt ist geteilt und die Nuss ist unerreichbar wie eh und je. Die wenigen
Eingänge sind stark befestigt, das Herzstück ist sicher in den Berg
eingebettet. Während sich alle anderen Distrikte frei gekämpft haben, bleibt
Distrikt 2 weiterhin zu einem Gutteil in der Gewalt des Kapitols.
Jeden Tag tue ich, was ich kann, um zu helfen. Ich besuche
die Verwundeten. Nehme mit meinem Kamerateam kurze Propos auf. Richtig
mitkämpfen darf ich nicht, aber ich darf beim Kriegsrat dabei sein, und das ist
schon viel mehr als in Distrikt 13. Meine Situation hier ist viel besser. Ich
habe mehr Freiheiten, keinen Tagesplan auf dem Arm, weniger Verpflichtungen.
Ich wohne oberirdisch in den Dörfern der Rebellen oder in den Höhlen der
Umgebung. Aus Sicherheitsgründen muss ich das Quartier häufig wechseln. Ich
habe die Erlaubnis, tagsüber zu jagen, solange ich eine Leibwache mitnehme und
mich nicht zu weit entferne. Aus der dünnen, kalten Bergluft strömt wieder ein
wenig Energie in meinen Körper, der Nebel in meinen Gedanken lichtet sich.
Allerdings begreife ich mit dieser Klarheit noch deutlicher, was sie Peeta
angetan haben.
Snow hat ihn mir weggenommen, bis zur Unkenntlichkeit
verbogen und mir dann zum Geschenk gemacht. Boggs, der mit mir nach Distrikt 2
gekommen ist, meint, dass unser Plan zwar gut war, dass es aber doch auch verdächtig
einfach gewesen sei, Peeta zu befreien. Er glaubt, sie hätten ihn mir so oder
so geliefert. Hätten ihn in einem Kriegsgebiet ausgesetzt oder vielleicht in
Distrikt 13 selbst. Mit Schleifen verschnürt, ein Schild mit meinem Namen
daran. Programmiert, mich zu töten.
Erst jetzt, da sie ihn zerstört haben, weiß ich den echten
Peeta richtig zu schätzen. Mehr noch, als wenn er gestorben wäre. Seine Güte,
seine Zuverlässigkeit, die Wärme, hinter der sich ein ungeahntes Feuer verbarg.
Wie viele Menschen auf der Welt, abgesehen von Prim, meiner Mutter und Gale,
könnten mich bedingungslos lieben? Jetzt wohl keiner mehr. Wenn ich allein bin,
hole ich manchmal die Perle aus der Tasche und versuche mich an den Jungen mit
dem Brot zu erinnern, an seine starken Arme, mit denen er mich im Zug vor den
Albträumen beschützte, an die Küsse in der Arena. Damit ich einen Namen für das
finde, was ich verloren habe. Aber wozu? Es ist weg. Er ist weg. Was immer da
zwischen uns war, es ist verloren. Mir ist nur die Aussicht geblieben, Snow zu
töten. Das sage ich mir zehn Mal am Tag.
In Distrikt 13 machen sie mit Peetas Behandlung weiter.
Ohne dass ich nachfrage, hält Plutarch mich am Telefon auf dem Laufenden. »Gute
Neuigkeiten, Katniss!«, sagt er zum Beispiel. »Ich glaube, wir haben ihn bald
davon überzeugt, dass du keine Mutation bist!« Oder: »Heute durfte er schon
selbst Pudding essen!«
Wenn ich danach mit Haymitch spreche, gibt er zu, dass es Peeta
kein
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