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Collins, Suzanne

Collins, Suzanne

Titel: Collins, Suzanne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Flammender Zorn (Die Tribute von Panem Bd 3)
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meinen Körper strömen, genieße es, mich ganz zu verlieren.
Als Gale leicht zurückweicht, dränge ich mich an ihn, um die Lücke zu
schließen, doch da spüre ich seine Hand unter meinem Kinn. »Katniss«, sagt er.
In dem Moment, als ich die Augen öffne, scheint die Welt aus den Fugen geraten
zu sein. Das hier sind nicht unsere Bäume, nicht unsere Berge, das ist nicht unser
Weg. Automatisch berühre ich die Narbe an meiner linken Schläfe, die ich mit
Verwirrung assoziiere. »Jetzt küss mich.«
    Verunsichert, mit unverwandtem Blick stehe ich da, während
er sich vorbeugt und seine Lippen kurz auf meine drückt. Er schaut mich prüfend
an. »Was geht in dir vor?«
    »Ich weiß nicht«, flüstere ich.
    »Dann ist es, als würde ich eine Betrunkene küssen. Das
gilt nicht«, sagt er mit einem schwachen Versuch zu lachen. Er hebt ein Bündel
Reisig hoch und legt es mir in die Arme. Jetzt bin ich wieder bei mir.
    »Woher weißt du das?«, frage ich, hauptsächlich, um meine
Verlegenheit zu überspielen. »Hast du schon mal eine Betrunkene geküsst?« Ich
glaube, damals in Distrikt 12 hätte Gale jede küssen können. Interessentinnen
gab es jedenfalls genug. Bisher habe ich mir darüber keine großen Gedanken
gemacht.
    Er schüttelt nur den Kopf. »Nein. Aber es ist nicht
schwer, sich das vorzustellen.«
    »Dann hast du nie irgendwelche anderen Mädchen geküsst?«,
frage ich.
    »Das hab ich nicht behauptet. Du warst ja erst zwölf, als
wir uns kennenlernten. Und außerdem eine echte Nervensäge. Du wirst es nicht
glauben, aber ich hatte ein Leben außerhalb der Jagd mit dir«, sagt er, während
er Brennholz aufsammelt.
    Auf einmal bin ich richtig neugierig. »Wen hast du
geküsst? Und wo?«
    »Zu viele, um sie alle zu behalten. Hinter der Schule, auf
der Bergehalde, weiß der Henker«, sagt er.
    Ich verdrehe die Augen. »Und wann bin ich was Besonderes
geworden? Als sie mich ins Kapitol gekarrt haben?«
    »Nein. Ungefähr ein halbes Jahr vorher. Kurz nach
Silvester. Wir waren auf dem Hob und haben bei Greasy Sae Suppe gegessen. Und
Darius neckte dich damit, dass er ein Kaninchen gegen einen Kuss tauschen
würde. Da hab ich gemerkt ... dass es mir was ausmacht«, sagt er.
    Ich erinnere mich an den Tag. Bitterkalt und schon um vier
Uhr nachmittags dunkel. Wir waren auf der Jagd gewesen, aber ein heftiger
Schneesturm hatte uns zurück in die Stadt getrieben. Der Hob war voller Leute,
die Zuflucht vor dem Wetter suchten. Greasy Saes Suppe, die aus dem Sud der
Knochen eines wilden Hundes gekocht war, den wir eine Woche zuvor geschossen
hatten, war nicht so gut wie sonst. Aber immerhin war sie heiß, und ich
löffelte sie mit Heißhunger aus, während ich im Schneidersitz auf ihrem Tresen
saß. Darius lehnte am Pfosten des Marktstands, kitzelte mir mit dem Ende
meines Zopfs die Wange, und ich schlug seine Hand weg. Er erklärte mir, ein
Kuss von ihm sei ein Kaninchen, vielleicht sogar zwei wert, da alle wüssten,
dass rothaarige Männer besonders männlich seien. Und Greasy Sae und ich
lachten, weil er so albern und aufdringlich war und uns eine Frau nach der
anderen zeigte, die angeblich weit mehr als ein Kaninchen für die Wonne seiner
Küsse bezahlt hätten. »Siehst du? Die da mit dem grünen Schal? Geh hin und frag
sie. Wenn du unbedingt einen Beweis brauchst.«
    Das ist eine Million Meilen von hier passiert, vor einer
Milliarde Tagen. »Darius hat doch nur rumgeflachst«, sage ich.
    »Kann sein. Aber wenn nicht, wärst du die Letzte, die es
mitkriegen würde«, sagt Gale. »Guck Peeta an. Oder mich. Selbst Finnick. Ich
hatte mir schon Sorgen gemacht, er hätte auch ein Auge auf dich geworfen, doch
jetzt scheint er ja wieder auf Kurs zu sein.«
    »Wenn du denkst, Finnick könnte mich lieben, kennst du ihn
schlecht«, sage ich.
    Gale zuckt die Achseln. »Ich weiß, dass er verzweifelt
war.
    Wenn die Leute verzweifelt sind, machen sie die
verrücktesten Sachen.«
    Ich bin mir fast sicher, dass das auf mich gemünzt ist.
    Am nächsten Morgen versammeln sich die Experten in aller
Frühe, um die Nuss zu knacken. Ich werde zu der Versammlung dazugebeten,
obwohl ich nicht viel beitragen kann. Abseits vom Konferenztisch hocke ich auf
dem breiten Fensterbrett, das einen guten Blick auf den fraglichen Berg bietet.
Die Kommandantin von 2, eine Frau mittleren Alters namens Lyme, begibt sich
mit uns auf eine virtuelle Rundreise durch die Nuss und ihre Befestigungen und
berichtet von den gescheiterten Versuchen, sie einzunehmen.

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