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Collins, Suzanne

Collins, Suzanne

Titel: Collins, Suzanne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Flammender Zorn (Die Tribute von Panem Bd 3)
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ich das klaffende Loch in seiner
Wange, wo etwas - ein herabgefallener Stein vielleicht - das Fleisch
durchdrungen hat. Er riecht nach verbrannten Haaren und verbranntem Fleisch.
Sein Blick ist irre vor Schmerz und Angst.
    »Nicht bewegen«, flüstert Haymitchs Stimme in meinem Ohr.
Ich befolge seine Anweisung, und mir wird schlagartig klar, dass uns der
gesamte Distrikt 2 zuschaut, vielleicht sogar ganz Panem. Der Spotttölpel in
der Gewalt eines Mannes, der nichts zu verlieren hat.
    Ich kann ihn kaum verstehen. »Gib mir einen Grund, weshalb
ich dich nicht erschießen sollte.«
    Der Rest der Welt rückt in den Hintergrund. Nur ich bin
noch da, wie ich in das unglückliche Gesicht des Mannes schaue, der mich nach
einem Grund fragt. Mir sollten tausend Gründe einfallen. Doch ich sage: »Das
kann ich nicht.«
    Logischerweise müsste der Mann jetzt auf den Abzug drücken.
Aber er ist verwirrt, versucht meine Worte zu begreifen. Als mir klar wird, wie
wahr das ist, was ich gerade gesagt habe, bin ich selbst durcheinander, und
Verzweiflung tritt an die Stelle des noblen Impulses, der mich auf den Platz
getrieben hat. »Ich kann es nicht. Das ist das Problem, nicht wahr?« Ich lasse
den Bogen sinken. »Wir haben euer Bergwerk in die Luft gesprengt. Ihr habt
meinen Distrikt abgebrannt. Wir haben allen Grund, einander zu töten. Also tu
es. Mach das Kapitol glücklich. Ich habe genug davon, ihre Sklaven für sie zu
töten.« Ich lasse den Bogen fallen und trete ihn mit dem Stiefel weg. Er
schlittert über den Steinboden und bleibt vor den Knien des Mannes liegen.
    »Ich bin nicht ihr Sklave«, murmelt er.
    »Ich schon«, sage ich. »Deshalb habe ich Cato getötet...
und deshalb hat er Thresh getötet ... und der wiederum Clove ... die versucht
hat, mich zu töten. So geht es immer weiter und wer gewinnt? Nicht wir. Nicht
die Distrikte. Immer das Kapitol. Aber ich habe es satt, eine Figur in ihren
Spielen zu sein.«
    Peeta. Auf dem Dach in der Nacht vor unseren ersten Hungerspielen.
Ihm war das alles schon klar, ehe wir auch nur einen Fuß in die Arena gesetzt
hatten. Ich hoffe, dass er jetzt zuschaut und sich an jene Nacht erinnert und
mir vielleicht vergibt, wenn ich sterbe.
    »Sprich weiter. Erzähl ihnen davon, wie es war,
zuzuschauen, als der Berg eingestürzt ist«, sagt Haymitch.
    »Als ich heute Abend den Berg einstürzen sah, da dachte
ich ... dass sie es schon wieder geschafft haben. Schon wieder haben sie mich
dazu gebracht, euch zu töten - die Menschen in den Distrikten. Aber warum habe
ich es getan? Distrikt 12 und Distrikt 2 haben keinen Streit miteinander -
außer dem, den das Kapitol uns aufgezwungen hat.« Der junge Mann blinzelt mich
verständnislos an. Ich lasse mich vor ihm auf die Knie sinken und spreche leise
und eindringlich. »Und warum kämpft ihr gegen die Rebellen auf den Dächern?
Gegen Lyme, die euer Sieger war? Gegen Leute, die eure Nachbarn, vielleicht
sogar Verwandte waren?«
    »Ich weiß nicht«, sagt der Mann. Aber das Gewehr hält er
noch immer auf mich gerichtet.
    Ich stehe auf und drehe mich langsam herum, wende mich zu
den Maschinengewehren. »Und ihr da oben? Ich komme aus einer Bergarbeiterstadt.
Seit wann verurteilen Bergarbeiter andere Bergarbeiter zu einem solchen Tod
und halten sich dann bereit, diejenigen zu töten, die sich aus den Trümmern
befreien können?«
    »Wer ist der Feind?«, flüstert Haymitch.
    »Diese Leute«, ich zeige auf die Verwundeten auf dem
Platz, »sind nicht euer Feind!« Schnell drehe ich mich zurück zum Bahnhof. »Die
Rebellen sind nicht euer Feind! Wir alle haben nur einen Feind, und das ist das
Kapitol! Jetzt haben wir die einmalige Chance, seiner Macht ein Ende zu
bereiten, aber dafür brauchen wir jeden Einzelnen in den Distrikten!«
    Die Kameras sind fest auf mich gerichtet, als ich die
Hände zu dem Mann ausstrecke, zu dem Verwundeten, zu den zögernden Rebellen in
ganz Panem. »Bitte! Schließt euch uns an!«
    Meine Worte bleiben in der Luft hängen. Ich schaue zum
Bildschirm und hoffe, mit anzusehen, wie eine Welle der Versöhnung durch die
Menge geht.
    Stattdessen sehe ich live im Fernsehen, wie ich erschossen
werde.
     
    16
     
    »Immer.«
    Peeta flüstert das Wort im Dämmerzustand des Morfix und
ich begebe mich auf die Suche nach ihm. Es ist eine verschwommene Welt in
Violetttönen, ohne scharfe Konturen und mit vielen möglichen Verstecken. Ich
bahne mir einen Weg durch Wolkenwände, folge den schwachen Fährten, schnappe
einen Hauch Zimt

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