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Collins, Suzanne

Collins, Suzanne

Titel: Collins, Suzanne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Flammender Zorn (Die Tribute von Panem Bd 3)
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voller Kraft. Obwohl ich mich auf der anderen Seite des Platzes befinde,
kann ich ihn durch die Scheibe des langen, flachen Gebäudes gut einsehen. Die
Ankunft eines Zuges, selbst einer einzelnen Person wäre unübersehbar. Doch
Stunden vergehen und niemand kommt. Mit jeder Minute wird es
unwahrscheinlicher, dass jemand den Angriff auf die Nuss überlebt hat.
    Es ist schon nach Mitternacht, als Cressida auftaucht und
mir ein Mikrofon an mein Kostüm klemmt. »Wozu soll das gut sein?«, frage ich.
    Haymitch meldet sich, um es zu erklären. »Ich weiß, es
wird dir nicht gefallen, aber du musst eine Rede halten.«
    »Eine Rede?«, sage ich, und sofort wird mir mulmig.
    »Ich flüstere es dir ein, Satz für Satz«, versichert er.
»Du musst mir nur nachsprechen. Aus dem Berg kommt kein Lebenszeichen. Wir
haben gewonnen, doch der Kampf geht weiter. Deshalb dachten wir uns, wenn du
dich auf die Treppe des Justizgebäudes stellst und es verkündest - allen sagst,
dass die Nuss besiegt ist und dass das Kapitol in Distrikt 2 keine Macht mehr
hat -, dann kannst du vielleicht ihre restlichen Truppen dazu bringen, sich zu
ergeben.«
    Ich schaue angestrengt in die Dunkelheit hinter dem Platz.
»Ich kann ihre Truppen nicht mal sehen.«
    »Dafür hast du ja das Mikro«, sagt er. »Deine Stimme wird
durch ihre Notfunkanlage übertragen und dein Bild wird auf allen Bildschirmen
zu sehen sein.«
    Ich weiß, dass es auf dem Platz ein paar riesige
Bildschirme gibt. Während der Tour der Sieger habe ich sie gesehen. Es könnte
funktionieren, wenn ich in so etwas gut wäre. Aber das bin ich nicht. Bei den
ersten Versuchen mit den Propos haben sie mir meinen Text auch vorgesagt und es
war ein Reinfall.
    »Du könntest damit viele Leben retten, Katniss«, sagt Haymitch.
    »Na gut. Ich versuche es«, sage ich.
    Es ist merkwürdig, so im Scheinwerferlicht auf der Treppe
zu stehen, ohne sichtbares Publikum, an das ich meine Rede richten könnte. Als
würde ich eine Vorstellung für den Mond geben.
    »Bringen wir es schnell hinter uns«, sagt Haymitch. »Du
hast keine Deckung.«
    Mein Fernsehteam, das mit Spezialkameras auf dem Platz
steht, gibt mir ein Zeichen, dass es losgehen kann. Ich sage Haymitch, er soll
anfangen, dann schalte ich das Mikrofon ein und höre genau zu, während er mir
den ersten Satz meiner Rede vorsagt. Ich erscheine in Großaufnahme auf einem
der Bildschirme auf dem Platz. »An alle Menschen in Distrikt 2, hier spricht
Katniss Everdeen. Ich spreche zu euch von der Treppe eures Justizgebäudes aus,
wo ...«
    In diesem Moment fahren zwei Züge gleichzeitig in den
Bahnhof ein. Als die Türen aufgehen, stolpern die Menschen in einer Rauchwolke
heraus, die sie aus der Nuss mitgebracht haben. Sie müssen zumindest eine
Ahnung haben, was sie hier erwarten würde, denn sie suchen sofort Deckung. Die
meisten legen sich flach auf den Boden und ein Kugelhagel im Bahnhof lässt alle
Lichter erlöschen. Wie Gale prophezeit hat, sind sie bewaffnet, aber sie sind
auch verwundet. In der Stille der Nacht ist ihr Stöhnen zu hören.
    Irgendjemand schießt das Licht auf der Treppe aus, sodass
die Dunkelheit mir Schutz bietet. Im Bahnhof lodert eine Flamme auf - einer der
Züge scheint zu brennen -, und dichter schwarzer Rauch quillt gegen die
Glaswand. Jetzt bleibt den Leuten nichts anderes übrig, als auf den Platz
hinauszudrängen, sie husten, schwenken jedoch herausfordernd die Gewehre.
Schnell schaue ich zu den Dächern der Häuser, die den Platz umgeben. Auf jedem
befindet sich ein MG-Nest der Rebellen. Das Mondlicht spiegelt sich in den
polierten Gewehrläufen.
    Ein junger Mann kommt taumelnd aus dem Bahnhof, mit einer
Hand hält er sich ein blutiges Tuch an die Wange, mit der anderen schleppt er
ein Gewehr. Als er stolpert und auf das Gesicht fällt, sehe ich die
Brandstellen an der Rückseite seines Hemdes und das rote Fleisch darunter. Und
plötzlich ist er nur noch ein Brandopfer bei einem Minenunglück.
    Ich fliege die Treppe hinunter und renne zu dem Mann hin.
»Halt!«, rufe ich den Rebellen zu. »Nicht schießen!« Die Worte hallen über den
Platz und darüber hinaus, das Mikrofon verstärkt meine Stimme. »Halt!« Ich
bücke mich, um dem Mann zu helfen, als er sich plötzlich auf die Knie stützt
und mit dem Gewehr auf meinen Kopf zielt.
    Instinktiv gehe ich ein paar Schritte zurück und halte den
Bogen in die Höhe, um zu zeigen, dass ich in friedlicher Absicht gekommen bin.
Jetzt, da er beide Hände am Gewehr hat, sehe

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