Colombian Powder
Leben zurückgekehrt, in dem ich vorher keine Rolle gespielt habe.
Angespannt betrete ich den breiten Gang vor dem Verhandlungszimmer. Heute sehe ich auch Beate wieder – und Ramon. Seltsamerweise habe ich in letzter Zeit kaum mehr an sie gedacht. Obwohl sie es gewesen war, die das ganze Abenteuer, das hier und heute vorläufig enden wird, angezettelt hat.
Ein paar Zuhörer warten geduldig auf den Beginn der Verhandlung. Und natürlich auch die Presse. Ich spüre abschätzige Blicke, die sich regelrecht an mir festkrallen, als mich die Beamtin vorbeiführt. Eine Gestalt erhebt sich von der Holzbank. In dem grellen Gegenlicht, das durch die hohen Fenster fällt, kann ich ihre Gesichtszüge erst beim Näherkommen erkennen. Mir ist, als träfe mich ein Boxhieb, als ich in Gustavs aufgeräumtes Gesicht starre. Wie konnte er davon erfahren? Hätte ich die Hände frei, ich würde mein Gesicht vor Scham darin vergraben.
Neben der Tür zum Verhandlungssaal steht Marco. Er scheint in Gedanken versunken und bemerkt mich nicht sofort. Auch wenn uns nur wenige Schritte bleiben, erfasse ich in Sekunden jedes Detail an ihm.
Ich kann mich nicht sattsehen an diesem markanten Gesicht und den unglaublich dunkelblauen Augen, die sich nun auf mich richten. Es bleibt nur ein kurzer Blick, bevor ich durch die Tür geführt werde, doch sagt er mir alles, was ich wissen muss.
Erhobenen Hauptes nehme ich auf der Anklagebank Platz, hinter der schon Richard Brandt auf mich wartet. Kurz darauf wird Beate hereingebracht. Sie ist in den letzten Wochen deutlich abgemagert. Meine ehemalige Freundin wirft mir einen langen Blick zu, dem ich aber nicht standzuhalten vermag. Ich senke die Lider und sehe erst wieder auf, als sie vor ihrem eigenen Verteidiger Platz genommen hat.
Entgegen meiner abwegigen Hoffnung, Gustav würde draußen bleiben, betritt auch er den Saal. Nachdem das Gericht noch nicht anwesend ist, kommt er auf mich zu.
»Ich wünsch dir alles Gute für den Prozess, Christina. Und ich habe noch etwas für dich«, er legt einen Umschlag auf das Tischchen des Anwalts und fügt hinzu:
»Übrigens, deine Iris, die hat das Wort Gnadenbrot falsch verstanden ... der Gaul frisst mich noch arm!«
Ich brauche ein paar Sekunden, bis ich begreife, was das bedeutete. Iris lebt!
»Du dachtest doch nicht im Ernst, dass ich zusehe, wie dein Liebling in Salami verwandelt wird?«
Der Gustl, er war doch ein Pfundskerl! Jetzt hätte ich ihn wirklich umarmen können. Doch Brandt gibt ihm ein Zeichen, wieder zu den Gerichts-Kiebitzen zurückzukehren. Ich öffne den Umschlag. Darin steckt ein weißer Bogen Büttenpapier. Die Handschrift des Vaters ist unverkennbar. Bitte verzeih mir , Dein Vater. Mehr steht dort nicht, doch für mich ist es mehr als ein ganzes Konvolut.
Die Verhandlung dauert fast den ganzen Vormittag.
Nach der Vernehmung von Beate und mir treten die Zeugen auf. Leo Hübner sagt genau das Gleiche aus, was mir Marco bereits erzählt hat, und wirft mir dazwischen immer wieder eigenartige Blicke zu. Dann wird Marco in den Zeugenstand gerufen und schildert seine Beobachtungen auf der Reise mit ruhiger Stimme. Er vermeidet es, zu mir herüberzusehen.
Anschließend vergeht fast eine Stunde mit irgendwelchem juristischem Kauderwelsch und Verlesungen von Akten, dann hält Staatsanwalt Müller, ein magerer Mann mit grauem Backenbart und stechenden Augen, sein Plädoyer. Er verurteilt Delikte, wie Beate und ich sie begangen haben, auf das Schärfste und macht kein Hehl daraus, dass er uns beide für Jahre hinter Gittern sehen will. Ramon ist in seinen Augen überhaupt ein Subjekt, das man in die ewige Verdammnis schicken müsste – vermutlich hat der gute Mann damit recht.
Der Auftritt desselbigen, in Begleitung dreier Beamter einer Spezialeinheit, ist mafialike . Schwarzer Anzug von Armani, schwarze Lackschuhe, weißes Seidenhemd und knallroter Binder. Die Sonnenbrille, selbstverständlich Design, nimmt er nicht ab. Vollkommen entspannt lässt er den Richter wissen: »Ich bin in ein Strafverfahren verwickelt, ich äußere mich hier nicht.«
Weder Beate noch mich würdigt er eines Blickes – ein kurzes Nicken seinerseits, und die Bewacher setzen sich mit ihm in Bewegung. Da erst sehe ich, dass er nicht nur Handfesseln trägt, sondern auch seine Beine aneinandergekettet sind.
Der Staatsanwalt beantragt einen Schuldspruch im Sinne der Anklage und fordert für Beate sechs Jahre und für mich drei Jahre Freiheitsentzug. Meine Finger
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