Colombian Powder
Sommerschuhen eine stylishe Katastrophe waren. Da war es sicherlich besser, wenn einem die Treter abfielen wie einem Leprakranken, als sich gegen den Modetrend zu wenden. Aber das würde sie Eggerth garantiert nicht auf die Nase binden.
»Was Sie nicht sagen! Sie fürchten sich also vor Schweißfüßen.« Diese Vorstellung schien ihn ungemein zu belustigen, denn er lachte lauthals.
Nina spürte, wie die Wut in ihr hochstieg. Sie hatte schon eine passende Antwort auf der Zunge, aber sein erwartungsvolles Gesicht ließ sie es sich anders überlegen.
Energisch schüttelte sie ihre Haare zurück und drehte sich so, dass sie mit dem Rücken zu ihm saß. Sie würde sich nicht dazu herablassen, sich mit einem fremden Kerl zu zanken – schon gar nicht über Schweißfüße.
Von hier oben hatte man tatsächlich einen traumhaften Panoramablick auf die Ruinen in der Umgebung. Tief sog Nina die schwüle Luft ein und ließ die Eindrücke auf sich wirken.
»Wissen Sie eigentlich, dass wir hier auf einem richtigen Kalender sitzen?«, holte Eggerth sie in die Wirklichkeit zurück. Er wartete nicht auf eine Antwort von ihr, sondern redete einfach weiter. »Sehen Sie sich die vier Treppen an. Jede besteht aus einundneunzig Stufen. Mit vier multipliziert, und mit der letzten Stufe vor dem Tempel hier oben addiert, ergibt das die Zahl von dreihundertfünfundsechzig Treppenstufen. Genauso viele wie das Jahr Tage hat.«
»War das denn Absicht?«, gab Nina betont gleichgültig zurück.
»Allerdings! Die Maya waren begabte Astronomen. Haben Sie denn schon von dem Schauspiel der gefiederten Schlange gehört?«
»Selbstverständlich!« In der Tat hatte Nina im Reiseführer darüber gelesen. Endlich konnte sie ihm die Stirn bieten und straffte unwillkürlich die Schultern. »An zwei Tagen im Jahr versinkt eine Seite der Pyramide im Schatten. Dann wird nur noch die Treppe von der Sonne angestrahlt, und dabei entsteht der Eindruck, als würde sich eine Schlange dort hinunter winden. Und deshalb prangt am Treppenende ein steinerner Schlangenkopf«, fügte Nina noch triumphierend hinzu.
Klaus Eggerth wirkte ehrlich überrascht. »Donnerwetter! Da haben Sie aber Ihre Hausaufgaben brav erledigt.«
»Ich beeindrucke eben gerne Menschen wie Sie«, gab Nina zuckersüß zurück und musste sich räuspern, was in ihrem ausgetrockneten Hals scheußlich brannte. Sie schluckte trocken und leckte über die aufgesprungenen Lippen.
»Sie haben ja immer noch nichts getrunken. Wollen Sie etwa einen Rekord aufstellen?« Ihr Unbehagen blieb Eggerth offenbar nicht verborgen. Demonstrativ nahm er einen Schluck aus seiner Flasche und sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an. Nach einigem Zögern schilderte Nina ihm schließlich doch das Malheur auf der Treppe.
Er warf ihr einen abschätzigen Blick zu, bevor er den Trinkverschluss von seiner Flasche abschraubte und sie ihr reichte. Nina war wütend auf sich selbst und hätte zu gerne abgelehnt, aber sie brauchte furchtbar dringend ein wenig Flüssigkeit.
»Sind Sie überhaupt schon alt genug, um alleine zu reisen?« fragte ihr Tischnachbar belustigt, als sie ihm die leere Flasche zurückgab.
Nina ignorierte seine Sticheleien und versuchte wieder in ihre Schuhe zu schlüpfen. Aus ihrem engen Gefängnis befreit, waren ihre Füße jedoch noch mehr angeschwollen und passten beinahe nicht mehr hinein. Sie rechnete schon mit dem nächsten dämlichen Kommentar aus Eggerths Richtung und zog unwillkürlich die Schultern hoch. Als sie die Schuhe endlich wieder an den Füßen hatte und mit hochrotem Kopf aufsah, war der Platz neben ihr leer. Klaus Eggerth hatte sich ohne ein Wort aus dem Staub gemacht. Zorn wallte in Nina auf. Für wen hielt sich dieser aufgeblasene Lackaffe?
Nach einer Weile machte sie sich ebenfalls an den Abstieg und atmete erleichtert auf, als sie wieder festen Boden unter den Füßen spürte. Am nächstbesten Getränkestand kaufte sie sich eine Dose eiskaltes Coca-Cola und ließ sich damit auf einer Bank im Schatten der Bäume nieder.
»Falsch, völlig falsch«, sagte plötzlich jemand in ihrem Rücken. Sie befürchtete kurz, Klaus Eggerth hätte sie aufgespürt, doch es war Jens, der nun um die Bank herumkam und anklagend die Alu-Dose in ihren Händen anstarrte. Sie hatte sich am Morgen auf dem Parkplatz also doch nicht getäuscht.
»Bei solchen Temperaturen sind kalte Getränke ganz falsch. Dadurch schwitzt du nur noch mehr!«
Nina verdrehte genervt die Augen. Heute wurde sie von allen
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