Colombian Powder
tatsächlich war. Er schüttelte den Kopf. Man sah diesen Gören ihre kriminelle Energie wirklich nicht an. Allerdings sahen Mörder im allgemeinen auch nicht wie Mörder aus. Beate könnte mit ihren Maßen auf jedem Laufsteg der Welt punkten, wenn gleich sie für seine Ansichten etwas zu gewöhnlich war. Ihren Kurven und die langen, braunen Locken waren schlichtweg ein Männertraum, und das wusste sie einzusetzen. Sie strahlte jedoch eine unterkühlte Lässigkeit aus, in der Kommissar Winter sofort ein Alpha-Weibchen registrierte. Diese Frau wusste genau, was sie wollte, und nahm es sich ohne Rücksicht. Nina schätzte er dagegen anders ein. Ihre Figur lag der von Beate zwar in nichts nach, aber ihr fehlte das abgebrühte Glitzern in den Augen, das er von seiner Arbeit mit Gesetzesbrechern kannte. Winter ließ sich von ihrem unschuldigen Engelsgesicht und den kecken kurzen Locken, die sie heute mit einem bunten Tuch gebändigt hatte, jedoch nicht täuschen. Immerhin hatte sie sich auf diese Aktion eingelassen, das bedurfte einer nicht unerheblichen kriminellen Energie.
Die beiden Frauen dösten entspannt vor sich hin – wenigstens sah es so aus. Dass es tatsächlich so war, das bezweifelte er in Anbetracht ihres Vorhabens.
Es war später Vormittag, und das Schiff lag im Hafen von Puerto Cortes, der zweitgrößten Küstenstadt von Honduras. Viele Passagiere zogen es vor, an Bord zu bleiben, obwohl dieses Land mit der Ruinenstadt von Copan, ein weiteres historisches Muss bot. Die lange Fahrtzeit ins Landesinnere und das drückende Tropenklima hatte jedoch viele Kulturbegeisterte abgeschreckt.
Auf dem Pool-Deck herrschte emsiges Treiben. Beate suchte in ihrer Basttasche nach der Sonnenschutzlotion und drückte ein paar Tropfen in die Handfläche. »Auf der Party gestern habe ich endlich deinen Lebensretter kennengelernt«, erwähnte sie beiläufig.
Sofort war Nina hellwach. »Du meinst Marco?«
»Gibt es da etwa noch mehr?« Vorsichtig cremte sie sich das Gesicht ein. »Auch ohne deine Beschreibung wäre er kaum zu übersehen. Kein Wunder, dass er einen Schwarm Frauen im Schlepptau hinter sich herzog.«
»Tatsächlich?« Nina bemühte sich, ihre Bestürzung zu verbergen. »Was denn für Frauen?«
»Ein paar Freundinnen aus dem Ruhrgebiet, alles Mitglieder einer Faschingsgilde. Also das passende Gegenstück zu den Bienentötern«, grinste Beate.
Nina ließ sich auf ihre Liege zurücksinken, von der sie sich bei der Erwähnung von Marcos Namen jäh aufgerichtet hatte. Sie ärgerte sich über sich selbst. Warum musste sie sich gestern im Bett verkriechen, während die anderen feierten?
»Da hast du echt nicht übertrieben. Er ist ein absolutes Prachtexemplar von einem Kerl«, sagte Beate anerkennend und entlockte Nina nun doch ein zustimmendes Kichern. »Die Faschingsdamen waren auch äußerst angetan von ihm.«
Ninas Lächeln verschwand so schnell, wie es gekommen war. Was sollte das denn heißen?
»Wir haben von deinem Unfall im Pool gesprochen. Wusstest du, dass ihm der Manager angeboten hat, als Belohnung für den Rest der Reise in eine Suite zu ziehen?«
»Ach.« Mehr fiel Nina nicht dazu ein. Warum hatte Marco ihr nichts davon erzählt? »Und was noch? Hat er dir etwa auch seine Schuhgröße verraten?«
»Wenn schon, würden mich ganz andere Maße an ihm interessieren«, quittierte Beate die alberne Frage. »Aber ich habe erfahren, wo er zu Hause ist.«
»Sag schon!«
»Täusche ich mich, oder sehe ich da ein gieriges Funkeln in deinen Augen?«
»Jetzt fang nicht an, mich zu triezen! Das ist unfair.«
Beate lachte. »Schon gut, meine Süße. Aber ein Stündchen spanne ich dich noch auf die Folter!«
Nach dem Mittagessen zogen sich die beiden in ihre Kabine zurück. Sie hatten mit Ramon vereinbart, noch am selben Tag ein E-Mail von einem öffentlichen Rechner in Puerto Cortes abzuschicken. Darin wollte er die Bestätigung haben, dass sie an Bord einen geeigneten Kurier gefunden hatten.
»J’ai longtemps cherché, cherché, jusqu’à ce que, que, je trouve ce que je voulais”, trällerte Beate den Text eines Chansons vor sich hin, während sie zwei Drinks aus der Minibar mixte.
»Demnach war unsere Suche also erfolgreich?«, ging Nina auf den Text ein und nahm ein gut gefülltes Glas entgegen. Ihre Hand zitterte dabei ein wenig, denn ihr war bewusst, dass sie nun über das weitere Schicksal eines Mitmenschen entscheiden würden.
»Das fragst du noch? Wer ist deiner Meinung nach denn der
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