Colombian Powder
sich ihnen anschließen.
Vor der Passkontrolle erwartete ihn bereits ein Kollege der kolumbianischen Drogenbehörde. Unauffällig zeigte Winter auf Beate und Nina, die einige Meter vor ihnen mit gezückten Ausweisen in der Reihe standen, damit sich sein Kollege die Erscheinung der beiden einprägen konnte. Winter nahm ein Funkgerät entgegen, das auf der verschlüsselten Polizei-Frequenz des Landes lief, und folgte dem hiesigen Ermittler durch einen Seitenausgang, um auf dem Parkplatz zu warten.
Er straffte die Schultern und atmete tief durch. Zufrieden nahm er zur Kenntnis, wie sich eine gewisse Anspannung in ihm ausbreitete. Als er noch als aktiver Ermittler tätig war, konnten ihn solche Situationen kaum aus der Ruhe bringen. Inzwischen saß er schon viel zu lange in Berlin am Schreibtisch. Er kam nicht umhin, Staatsanwalt Müller Respekt zu zollen, der es geschafft hatte, in einer knappen Woche die Genehmigung der kolumbianischen Behörden für die Observation zu erwirken. Nun stand Winter für einen Tag der ganze Polizeiapparat Cartagenas zu Verfügung. Hatte er sich tatsächlich eingeredet, die aktive Arbeit nicht zu vermissen?
Die beiden Ermittler bezogen Stellung hinter geparkten Autos und konnten beobachten, wie Beate und Nina das Terminal verließen und geradewegs auf einen der Ausflugsbusse zusteuerten. Ein Schild an der Frontscheibe verriet, dass es sich um eine Stadtrundfahrt handelte.
Winter zischte ein Schimpfwort. Trotz der Kabinenüberwachung hatte er nicht herausgefunden, welchen Weg die beiden Frauen in die Stadt nehmen würden. Der Kolumbianer bedeutete ihm zu warten, während er selbst dank seiner Zivilkleidung völlig unbefangen über den Parkplatz schlenderte. Einen Augenblick später hielt er mit einem weißen Kleinwagen neben Kommissar Winter. Geschickt fädelten sie sich direkt hinter dem anfahrenden Ausflugsbus in den fließenden Verkehr ein. Nun konnte sich Winter eine Weile zurücklehnen und die Verfolgung getrost seinem Kollegen überlassen. Der Bus vor ihnen würde in den nächsten sechzig Minuten nicht mehr anhalten.
Die Fahrt führte sie alsbald aus dem Hafengebiet hinaus und durch gepflegte Alleen, vorbei an Gebäuden aus der Kolonialzeit, die den ehemaligen Reichtum der Stadt erahnen ließen. Auf einem Hügel vor ihnen tauchte die Festung San Felipe de Barajas auf. Ihre Aufgabe war es stets gewesen, die Stadt vor Plünderern zu schützen, erklärte ihm sein Kollege. Aus mehreren Steinwällen bestehend thronte sie auch Jahrhunderte später noch gebieterisch über der Stadt. Winter bedauerte, dass er diese Burg nicht genauer besichtigen konnte. Historische Bauwerke hatten schon immer sein Interesse erweckt. In der Vergangenheit hatte er sich jedoch viel zu selten Zeit genommen, sich damit zu befassen. Die letzten Jahre hatten fast ausschließlich dazu gedient, seine Karriere voranzutreiben. Er unterdrückte ein Seufzen. Die Distanz zu seinem Arbeitsalltag brachte neben der verheißenen Erholung auch Zeit, um nachzudenken. Mehr Zeit, als ihm lieb war.
Der Kolumbianer holte Winter jäh in die Gegenwart zurück, indem er sich nach seiner Arbeit in Deutschland erkundigte. Winter erzählte ein wenig von seiner Tätigkeit beim LKA Berlin und den näheren Umständen, die zu dieser Ermittlung geführt hatten. Der südländischen Mentalität entsprechend fragte sein Kollege nach Winters Familie, ob es ihn nicht betrübte, ausgerechnet zu Weihnachten nicht bei ihnen zu sein. Winter ließ sich seine Verblüffung über diese Frage nicht anmerken. Zu seiner Erleichterung war eine Antwort überflüssig, denn der Verkehr wurde dichter, und selbst der ortskundige Polizist musste sich konzentrieren, um den Anschluss nicht zu verlieren.
Winter blickte aus dem Seitenfenster und registrierte die Umgebung draußen kaum. Der Mann neben ihm konnte nicht ahnen, dass er mit seiner Frage einen wunden Punkt getroffen hatte. Es betrübte ihn tatsächlich, diese besondere Zeit im Jahr nicht mit einem geliebten Menschen verbringen zu können.
Bis vor einem Jahr war er mit Corinna liiert gewesen, einer energischen, karrierebewussten Rechtsanwältin. Sie konnte dem ganzen Weihnachtsfimmel, wie sie es nannte, überhaupt nichts abgewinnen. Und sie war die treibende Kraft gewesen, damit sie die Feiertage alljährlich in einem tropischen Land verbrachten, abseits von Rauschgoldengeln und Tannenduft. Ihm selbst war es ursprünglich gleichgültig gewesen, ob er sich an Weihnachten in Thailand oder im Teutoburger
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